Erfolg
ihn verhindert hatten, schon viel früher mit dem Krüger Schluß zu machen, knurrte so laut, daß der Dackel Waldmann zu seinen Füßen unruhig wurde. Kunstprestige! Der Staat, dem er diente, war ein Agrarstaat. Die Stadt München, mitten in diesem Staat gelegen, war ihrer Struktur und ihrer Bevölkerung nach eine Siedlung mit stark bäuerlichem Einschlag. Das sollten seine Kollegen gefälligst bedenken. Fernhalten sollten sie ihrer Residenz jene modisch sich brüstende, gehetzte Lebsucht, die die großen Städte der Epoche so scheußlich verunstaltete. Statt dessen redeten sie damisch daher von Kunstprestige und ähnlichem Blödsinn.
Der Minister Flaucher knurrte, seufzte, rülpste, goß Wein hinunter, lehnte sich mit beiden Armen übellaunig über den Tisch, duckte den wulstigen Schädel, betrachtete aus kleinen Augen den behaglich dasitzenden Klenk. Die Kellnerin Zenzi, seit langen Jahren diesen Tisch der Tiroler Weinstube betreuend, lehnte an der Anrichte, schaute organisatorisch auf ihre Gehilfin Resi und mit kleiner, gelassener Amüsiertheit auf die lärmenden Männer, ihren Gemütszustand und den Stand ihrer mehr oder weniger geleerten Gläser gleichzeitig im Auge haltend. Die dralle Frau, plattfüßig durch ihren Beruf, breit und hübsch von Gesicht, kannte sehr gut ihre Gäste, sie hatte genau beobachtet, wie sich der Minister Flaucher veränderte, als der Minister Klenk eintrat. Sie wußte, daß der Dr. Flaucher um diese Stunde, war er guter Laune, nochmals Würste, war er schlechter Laune, Rettich zu bestellen pflegte. Er brauchte seine Weisung nicht zu Ende zu knurren, so stand schon sein Rettich vor ihm.
Kunstprestige! Als ob er nicht Sinn hätte etwa für Musik. Aber es war dekadent, snobistisch, von wegen diesem Kunstprestigejedem Schlawiner seine provozierenden Schweinereien durchgehen zu lassen. Der Minister Flaucher zog verdrießlich und in Gedanken den Teller mit den Speiseresten seines Nachbarn zu sich heran und warf dem Dackel Waldmann den Knochen zu. Noch während er kunstgerecht seinen Rettich zubereitete, fraß es ihm an der Seele, wie endlos lang er den Schädling Krüger im Amt hatte dulden müssen.
Der Dackel zu seinen Füßen schmatzte, nagte an dem Knochen, schlang, fraß. Der Minister, die Hantierungen an seinem Rettich beendet, wartete, daß die einzelnen Schnitten der wässerigen Wurzel genügend Salz einsögen. Durch die geöffneten Fenster kam, trotz des Lärms in der Stube deutlich vernehmbar, aus dem gegenüberliegenden Bierlokal, von vielen hundert Stimmen mit gerührtem Behagen gesungen, die Münchner Stadthymne: solang der alte Peter am Petersberg stehe, solang die grüne Isar durch die Münchner Stadt gehe, so lang höre die Gemütlichkeit in der Münchner Stadt nicht auf. Ja, lange, lange hatte der Flaucher warten müssen, ehe er den Krüger ausgerottet hatte. So lange, bis ihm der – es war bedauerlicherweise nicht zu leugnen –, der Klenk das Werkzeug gegen den Mann Krüger in die Hand lieferte. Der Flaucher sah jene Stunde wieder deutlich vor sich. Es war an einem Abend wie heute; es war hier in der Tiroler Weinstube, an dem Tisch schräg gegenüber, unter dem großen Brandfleck in der Täfelung, den der Schriftsteller Lorenz Matthäi einmal so obszön ausgedeutet hatte. Hier hatte ihm der Klenk, seine tiefe Riesenstimme mühsam dämpfend, in Andeutungen zuerst, auf seine verdruckte, hinterhältig frotzelnde Art, später in klaren Worten die Affäre Krüger hingereicht, jene gottgesandte Meineidsaffäre, die die Handhabe bot, den Mann Krüger sogleich vom Amt zu suspendieren und ihn jetzt durch den Prozeß ein für allemal zu beseitigen. Es war ein großer Abend gewesen, er hätte beinahe dem Klenk seine ganze protzige Überlegenheit verziehen, so gehoben fühlte er sich über den Untergang der schlechten und den Sieg seiner guten Sache.
Und jetzt war es also an dem. Morgen wird der Prozeß steigen. Er, Flaucher, wird den Sieg auskosten, er wird dastehen, massig, imponierend, wie er es zuweilen an Pfarrern auf dörflichen Kanzeln gesehen hat, und mit dicker Stimme verkünden: »Seht ihr, so sind die Gottlosen. Ich, Franz Flaucher, habe von Anfang an den Teufel richtig gewittert.«
Er begann seinen jetzt genügend gebeizten Rettich zu verzehren; jeder einzelnen Schnitte gab er ein wenig Butter bei und einen Bissen Brot. Aber er aß mechanisch; der Genuß, den er sich erhofft hatte, wollte sich nicht einstellen. Ja, das Hochgefühl, mit dem er vor ein und einer halben
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