Erfolg
gestrichen, das bestimmt nicht wohlgetan war und ihm wenig Sympathie brachte.
Der Rechtsanwalt, hagerer, blonder Herr, dünne, gekrümmte Nase in dem nervösen, mit Anstrengung beherrschten Gesicht, spärliches Haar, rasche, blaue Augen unterdicken Brillengläsern, merkte sehr gut, daß die Fragen des Vorsitzenden Suggestivfragen waren, dazu angetan, die Glaubwürdigkeit des Zeugen Ratzenberger zu erhärten, nicht, sie zu erschüttern. Er sah, daß man gut vorbereitet war auf den Einwand, daß unmöglich sich ein Chauffeur an das Verhalten eines Fahrgastes nach mehr als drei Jahren so minutiös genau erinnern könne. Dr. Geyer beschloß also, den Zeugen von anderer Seite her zu erschüttern. Er saß da, voll Spannung und Geladenheit wie ein angekurbeltes Auto, zitternd vor der Abfahrt. Eine rasche Röte kam und ging. Mit zufahrender Stimme, die scharfen Augen nicht von dem Chauffeur lassend, begann er, harmlos zunächst und von weit her, das Vorleben des Zeugen zu beklopfen, das auf besondere Glaubwürdigkeit nicht schließen ließ.
Der Chauffeur Ratzenberger hatte seine Stellung als Mechaniker oft gewechselt. Dann im Krieg war er viel in der Etappe gewesen, schließlich doch an die Front gekommen, verschüttet, wegen einer schweren Verletzung entlassen worden. Hatte sich in der Heimat aus irgendwelchen Gründen besonderer Protektion erfreut, so daß er die Uniform endgültig ausziehen konnte. Hatte dann geheiratet, ein Mädchen, das von ihm bereits zwei nicht mehr kleine Kinder hatte und das jetzt etwas Geld erbte. Von diesem Geld der Frau hatte er sich seine Autodroschke gekauft. Während er die Kinder, besonders seinen Sohn Ludwig, auf derbe Art verzog, war die Frau mehrmals bei der Polizei vorstellig geworden, ihr Mann habe sie mißhandelt. Auch von einem Familienzwist war die Rede, bei dem Franz Xaver Ratzenberger einen Bruder am Kopf verletzt habe und von seinen Geschwistern frecher und grober Lügen überführt worden sei. Mehrmals war er von Besitzern und Lenkern privater Wagen angezeigt worden, weil er sie unflätig beschimpft, auch körperlich bedroht hatte. Ratzenberger führte diese Anzeigen auf Intrigen zurück, behauptend, die meisten Herrenfahrer hätten etwas gegen die Droschkenführer, weil die besser fahren könnten. Auch sei er seit dem Krieg, häufig schon aus geringfügigemAnlaß, gereizt. Einmal hatte er, er wußte selbst nicht mehr recht warum, einen Selbstmordversuch gemacht. War unversehens aus einer Fähre, die in der Nähe Münchens über die Isar führte, mit dem Ausruf »Adieu, schöne Gegend!« aus dem Fährboot ins Wasser gesprungen, aber wieder aufgefischt worden.
Der Rechtsanwalt Dr. Geyer wunderte sich, daß man einem so nervösen Mann die Konzession zur Führung einer Autodroschke gegeben habe. Feststand, daß der Zeuge Ratzenberger trank. Wieviel? fragte die zufahrende, nicht angenehme Stimme Dr. Geyers. Etwa drei Liter am Tag. Manchmal auch mehr? Manchmal auch fünf. Auch sechs? Auch sechs. Existierte nicht ein polizeiliches Protokoll, daß er einmal einen Fahrgast, weil der ihm kein Trinkgeld gab, verprügelt hatte? Möglich. Wahrscheinlich habe der gescherte Lackl ihn beleidigt. Beleidigen lasse er sich nicht. Ob der Dr. Krüger ihm ein Trinkgeld gegeben habe, damals? Wisse er nicht mehr. Er pflege sich aber doch die Damenbegleitung seiner Kunden gerade wegen des Trinkgelds anzuschauen. Die hastige, helle Stimme des Anwalts hackte verwirrend scharf auf den Zeugen ein. Ob er den Angeklagten auch sonst schon gefahren habe? Wisse er nicht mehr. Aber so viel sei doch richtig, daß einmal ein Verfahren gegen ihn anhängig gemacht wurde, ihm die Fuhrkonzession zu entziehen?
Der Zeuge Ratzenberger wurde unter den rasch auf ihn niederstoßenden Fragen Dr. Geyers zunehmend unsicher. Er schmatzte viel, kaute an seinem rötlich verfransten Schnauzbart, geriet so tief in den Dialekt, daß die auswärtigen Berichterstatter kaum zu folgen vermochten. Der Staatsanwalt griff ein. Die Fragen hätten mit der Sache nichts zu tun. Der Vorsitzende, mit betonter Menschlichkeit für den Angeklagten, ließ die Fragen zu.
Ja also, es hatte einmal ein solches Verfahren wegen Konzessionsentziehung geschwebt. Eben wegen jener angeblichen Gewalttätigkeit gegen einen Fahrgast. Es sei aber niedergeschlagen worden. Die Angaben jenes Mannes, einesschofeln Kerls, eines Schlawiners, der sich nur von der Entrichtung der Taxe drücken wollte, hätten sich nicht als stichhaltig erwiesen.
Eine neue, rasche
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