Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
»Wenn ich achtern an der Pinne stehe, sind Wind, Sonne und Polarstern meine Freunde …«
»Das genügt«, unterbrach ihn Thorbjörn. »Du gefällst mir, ja ich glaube, du bist ein Mann voller Tatkraft. Nachdem ich nun dein Vermögen kenne, will ich dir ebenso viel als Gegenwert bieten.« Thjodhild sollten zehn Knechte und drei Mägde nach Hornstrand folgen.
»An Frauen fehlt es bei mir«, warf Erik bittend ein.
Großzügig erhöhte der Gutsherr das Gesinde um weitere vier Sklavinnen. Außerdem stellte er Bauholz zur Verfügung, genug für ein Frauenhaus, dazu Wolle, zwei Webstühle und anderen Hausrat. Lange zählte er auf und Erik staunte stumm, welch eine reiche Frau ihm gegeben werden sollte.
»Bist du einverstanden, entspricht die Mitgift deinem Besitz, wenn wir den Wert des Schiffes nicht berechnen?«
»Ich hätte sie auch für weniger genommen.«
Da schmunzelte Thorbjörn. »Wie verliebt und unerfahren du bist. Würde an deiner statt ein geschickter Brautwerber mit mir verhandeln, niemals würde ihm solch ein Geständnis über die Lippen kommen.« Die Verabredung einer Heirat sei ein nüchterner Handel, mahnte er. Denn bei einer Scheidung oder Trennung stehe der Frau nach dem Gesetz die Hälfte des gemeinsamen Vermögens zu. »Befolge meinen Rat, Junge: Wenn wir morgen unser Abkommen vor Zeugen wiederholen und sie den Mundschatz in Silber für Thjodhild festlegen, so schweige über deine Gefühle. Sie kosten dich nur mehr Silber.«
Erik schluckte; sollte dies eine Maßregelung oder gar eine Kränkung sein? Erst nach einigem Grübeln war er sicher: Der Großbauer wollte ihn nicht beleidigen, sondern meinte es wirklich gut mit ihm. »Merk ich mir fürs nächste Mal.«
»Untersteh dich! Ich gebe dir meine Tochter, damit du mit ihr einzig und allein das Glück deiner Sippe vermehrst.«
Auch das begriff der breitschultrige Rote und war froh, endlich die Wohnhalle verlassen zu können.
In den zwei Wochen nach dem Verlobungsbier sah er Thjodhild kaum. Ohnehin hatte Erik auch vorher wenig mit ihr sprechen können und allein waren sie nie gewesen. Stets wachte Frau Thorbjörg Schiffsbrust über ihre Tochter.
Wenn ihn des Nachts die steigende Unruhe in seinen Lenden nicht schlafen ließ, beschwerte er sich bei dem Freund: »Wie soll ich denn wissen, wer meine Frau wird?«
»Du musst dich gedulden, bis sie neben dir liegt.« Tyrkir gähnte ausgiebig. »Die Überraschung gibt’s erst zum Fest.«
Die alte Bäuerin hatte sich mit dem künftigen Schwiegersohn abgefunden, war aber voll neuer Sorge, denn selbst die gebührende Wartezeit von mindestens zwei Monaten bis zur Hochzeit sollte nicht eingehalten werden. Sie hätte sich die große Feier während der drei heiligen Nächte gewünscht, die den Winter einleiten. »Das wäre der günstigste Augenblick für das Glück meines Kindes.«
Stattdessen hatte sie jetzt im August schon alle Hände voll zu tun, um die Vorbereitungen zu treffen. Neue Kochgruben wurden ausgehoben, Ziegen und Schafe geschlachtet und das frisch angesetzte Festbier gärte in den Fässern.
Die Braut half unermüdlich, und während der Mußestunden wurde sie mit Ratschlägen überhäuft. »Viel Zeit bleibt nicht, Kind.« Die Mutter hob den Busen. »Aber ich will dir an Wissen mitgeben, was ich nur kann, damit du eine gute Hausherrin wirst.«
Geduldig hörte Thjodhild zu. Sie lachte wenig in diesen Wochen, aber ihr Schritt war beschwingter als gewöhnlich.
Der festgesetzte Termin rückte näher, die Gäste waren geladen und am Vortag trafen die unverheirateten Töchter der wohlhabenden Nachbarn ein. Da es an heißen Quellen, ausgespuckt vom unterirdischen Feuer, im Habichtstal fehlte, nahmen sie mit Gekicher, Tuscheln und Schwatzen das Saunahaus in Beschlag. Für gewöhnlich diente es Herrschaft und Gesinde jeden Samstag zur gemeinsamen Erholung oder beizeiten als warmer Hort einer Schwangeren, um ihr Kind zu gebären.
Heute aber durfte kein Mann diesen Bereich hinter dem Hauptgebäude betreten. Die erste Aufgabe war es, das Bad für die Braut vorzubereiten. Bald schon rückten die Jungfern im Vorraum zusammen, naschten honiggesüßte Beeren, und mit Neuigkeiten über die Burschen auf Freiersfüßen im Allgemeinen begannen sie, doch nach und nach wurden anzüglich lustvolle Einzelheiten ausgetauscht, dass sich ihre Wangen röteten, während in der Badestube hinter ihnen die Wassertiegel siedeten.
»Sie kommt!«
Thjodhild ließ die freudige Begrüßung wortkarg über sich ergehen. Ihre
Weitere Kostenlose Bücher