Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
Miene blieb angespannt. Sie trug nur ein schlichtes Untergewand. Kaum hatte sie es abgestreift, als sich die Freundinnen auch entkleideten. Ohne Scheu zeigte jede ihren Körper, nahm Bewunderung oder spöttischen Trost vergnügt hin und nackt führten sie die Braut in die Stube. Wohlige Hitze umfing die jungen Frauen. Das Los entschied, und zwei durften sich zu Thjodhild in den großen Bottich setzen, während die anderen sie bedienten.
Erst zischte Wasser auf den heißen Steinen, schnell füllte sich der Raum mit Dampf, und danach wurde hautwarmes Wasser in den Zuber gegeben. Heute fühlte Thjodhild zum ersten Mal schmerzhaft, dass sie Abschied nehmen musste, Abschied vom Kindsein und von ihren Träumen.
Wie oft habe ich selbst eine Braut gewaschen, dachte sie, war manchmal sogar neidisch, und heute bin ich selbst an der Reihe. Abschied von den Eltern, von ihrem behüteten Zuhause! Was erwartet mich da oben im Norden, so weit entfernt vom Habichtstal? Wie einsam wird es dort sein?
»Warum freust du dich nicht?« Das Mädchen neben Thjodhild schöpfte Wasser mit der Handmulde und ließ es ihr über Hals und Brüste laufen. »Morgen bekommst du einen Mann. Also, ich an deiner Stelle könnte es kaum abwarten …«
»Du hast Recht.« Thjodhild wischte die Sorgen weg. Sie klatschte in die Hände: »Erik ist ein starker Kerl, damit ihr es alle wisst!«, und spritzte die Umstehenden nass. »Und er wird mein Mann!« Endlich, wie erlöst, jubelten die jungen Frauen, schütteten der Braut Wasser über den Kopf, kitzelten sie, bis sie um Gnade flehte und sich mit hochgereckten Armen im Zuber aufstellte; gründlich schlugen und rieben die Dienerinnen mit frischen Birkenzweigen ihren Rücken, den Po und die Beine und reinigten sie von Kopf bis Fuß.
Vor dem Saunahaus wartete das kalte Wasser. Thjodhild tauchte aus dem Fass auf, schnappte nach Luft und schrie, gleich darauf folgte das erschreckte Kreischen der Freundinnen.
Später saßen sie in Tücher gehüllt zusammen. »Wisst ihr noch …?« Geschichten von früher lebten auf, während der Brautkranz aus Blumen und Blättern gewunden wurde. Gegen Abend brachte Frau Thorbjörg mit zwei Mägden die Fleischsuppe und einen Krug Met. Ihr Gang war schwer, die Anstrengung der letzten Tage hatte das Beinleiden wieder verschlimmert.
»Komm, setz dich!«, lud ihre Tochter sie ein. »Ruh dich ein wenig bei uns aus.«
»Danke, mein Kind.« Als Thorbjörg die leicht enttäuschten Gesichter ringsum bemerkte, musste sie schmunzeln. »Nein, keine Angst, ihr aufgeregten Schafe. Die Alte geht gleich wieder. Ich werde euch die Jungfernnacht nicht verderben.«
Sie blickte Thjodhild lange an, dann strich sie ihr übers Knie und war zufrieden. Ehe sie ging, ermahnte sie die jungen Frauen: »Dass ihr mir morgen mein Kind herausputzt. Wenn ich meine Tochter schon hergeben muss, so soll sie die schönste Braut des Habichtstals sein.«
Erik war mit dem Freund auf die nahen Hügel geritten, sie hatten die Pferde am Rand eines Wäldchens zurückgelassen und sahen der untergehenden Sonne zu.
»Diese Gegend muss ein Garten der Götter sein.« Der Zwanzigjährige riss ein Büschel Gras und Erde aus und sog den Geruch in sich auf. »Hätte ich hier siedeln dürfen, wäre mein Glück vollständig.«
»So kenne ich dich gar nicht«, spottete Tyrkir. »Hat dir Gottvater Odin, der einäugige Beschützer der Dichter, mit einem Mal schöne Worte ins Ohr geblasen?«
Nachdenklich zerrieb Erik das Büschel zwischen den Fingern. »Heut ist mir eben so.«
Beide starrten auf den sinkenden Glutball am westlichen Horizont. »Wovor fürchtest du dich?«, begann der Deutsche leise, und da er nicht an Eriks Lügen über den Hof auf Spitzklipp rühren wollte, setzte er hinzu: »Wer weiß schon, was unsere Zukunft bringt? Aber ich bin sicher, dass wir zu guter Letzt das Glück gewinnen.« Er wollte den Freund aufmuntern. »Du bekommst ein schönes, stolzes Weib. Und nur gut, dass wir bald nach Norden aufbrechen. Denn hier im Habichtstal gibt es ab morgen einen Feind, der dir nachstellen wird.«
»Ejolf, der Bruder des Herrn vom Valtjofshof?« Erik schüttelte den Kopf. Keinen Grund zur Fehde habe er ihm gegeben. Thjodhild sei diesem Aufschneider nie versprochen worden.
»Trotzdem wird er alles versuchen, um dir zu schaden. Und wir wissen beide, wie sehr dich Unrecht in Zorn versetzt.«
»Warum bist du nur so gescheit?«, grinste der Rote und das Jungenhafte kehrte zurück. »Ich frage mich, wieso du noch
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