Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
stumm, und schenke ihm Mäßigung! Lass diesen Tag nicht im Blut ersticken!
»Was wagt der Kerl?«, knurrte Erik. »Kommt einfach daher …« Er stierte auf den Deutschen. »Wo ist mein Schwert? Bring es her, auch die Axt. Ich will diesem Kerl zeigen, dass Erik Thorvaldsson kein feiger Hase ist.«
»Gleich, Herr«, sagte Tyrkir und blieb unbeweglich stehen. »Irrst du dich nicht? Ich höre den Kerl zwar, aber deinen Namen hat er nicht genannt. Vielleicht meint er einen anderen der Gäste.«
Der Hüne ballte die Faust. »Du sollst gehorchen oder ich …«
»Ja, es ist besser, wenn du mich schlägst.« Langsam verschränkte der Schmächtige die Arme hinter dem Rücken. »Nur zu, kühle dich an deinem Sklaven ab! Damit ersparst du dir alle Folgen.«
Erik schnaufte und warf sich zurück, dass die Lehne des Hochsitzes ächzte.
Immer noch gellten Ejolfs Schmähungen in die Halle.
Der Brautvater hatte den Schwiegersohn scharf beobachtet, wie es schien, siegte dessen Vernunft, und er erhob sich. »Niemand darf den Festtag meiner Tochter stören.« Er rief zur Bankreihe der benachbarten Großbauern hinüber. »Valtjof vom Valtjofshof. Dein Bruder war nicht geladen. Ohne Erlaubnis hat er mein Gut betreten. Um des Friedens willen sorge dafür, dass der Hitzkopf uns nicht länger belästigt!«
Hochrot verließ der rundliche Bauer seinen Platz, unter den Blicken aller schritt er entlang des Feuers zum Ausgang. Ein einziger scharfer Befehl und das Geschrei riss ab, wenig später kehrte Valtjof zurück. Vor den Ehrenbänken hob er die Hand. »Verzeih, Nachbar! Der Bursche ist noch jung und haltlos.« Er wandte sich an Erik. »Mögen die Götter dich und deine Frau mit vielen Kindern segnen!«
Atemlose Stille. Nach einer Weile presste Erik zwischen den Zähnen hervor: »Vergessen. Jedes Wort deines Bruders. Er konnte Thor in mir nicht beleidigen.«
Die Männer im Saal sahen sich verblüfft an. Jeder von ihnen hatte sich schon als Kind aus dem Kreis der Götter einen zum Schutzgott erkoren, der seitdem in ihm wohnte. Diesem schenkte er sein größtes Vertrauen und nannte ihn »meinen lieben Freund«. Eine Beleidigung oder jegliche Art von Kränkung verletzte vor allem den eigenen Gott und nur Rache vermochte dessen Zorn wieder zu besänftigen.
Ein Raunen ging durch die Tischreihen: Der Bräutigam fühlte sich nicht von einem gleichwertigen Mann angegriffen. Ejolf Dreck war für ihn nur ein dummer Rüpel, der die Ehre nicht verletzen konnte. Welch eine edle Geste!
Tief verneigte sich Valtjof. »Durch deinen Großmut stehe ich in deiner Schuld. Nimm einen Stier als Sühne von mir!«
Kaum hatte Erik die Gegenleistung angenommen, als ihm von allen Seiten begeisterte Glückwünsche dargebracht wurden. Das Fest lebte wieder auf, unbeschwerter noch und ausgelassener. Viel zu früh griffen die Spielleute zur Trommel, zauberten Wellenwogen mit der Harfe und bliesen auf der Lure, bis der Hunger sie zurück an die Fleischplatten trieb.
Mit schweißnassem Gesicht saß Erik neben seiner Braut. Tyrkir wusste, welch einen Kampf der Freund mit sich hatte ausfechten müssen. »Dieser Sieg war hart erkämpft«, sagte er leise.
»Halt’s Maul!«, brummte der Rote. »Hab ich dich nicht nach Bier geschickt?«
»Verzeih, wie dumm von mir. Gleich das ganze Fass, Herr?«
Sie blickten sich an und beiden zuckte es in den Mundwinkeln.
»Egal, nur Bier. Ich hab Durst.«
Tyrkir nahm den Becher entgegen und drängte sich durch die Tischreihen.
Leicht berührte Thjodhild den Arm ihres Mannes. »Ich bin stolz.«
Da dehnte der Rote die Brust. Hochzeit sei gut, meinte er unbeholfen, aber erst in der Nacht würde es ein richtiges Fest geben. »Wenn du weißt, was ich meine.«
Und ihr Blick zeigte ihm, wie genau sie ihn verstanden hatte.
Den ersten Rausch hatte Erik bis zum Abend beinah überwunden. Ehe er und Thjodhild ins Nebenhaus geführt wurden, bestand Tyrkir darauf, ihm einen Kübel mit kaltem Wasser über den Kopf zu gießen. »Sonst verschläfst du die Überraschung.«
»Was du denkst. So betrunken kann ich gar nicht werden.«
Von den Jungfern waren die Decken aufgeschüttelt und die Bettpfosten mit Blumensträußen geschmückt worden. Glut knisterte im Feuertiegel. Jetzt standen sie tuschelnd und kichernd vor dem Hochzeitszimmer beieinander. Kaum näherten sich die Brauteltern mit dem Paar, verstummten sie und nur die glänzenden Augen verrieten, worum ihre Gedanken kreisten.
Thorbjörg drückte die Tochter an den mächtigen
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