Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
keine Frau gefunden hast?«
»Das liegt an dir«, gab Tyrkir zurück, »du bist der Herr, also gib mir eine!« Gleich hob er abwehrend die Hände. »Nein, besser nicht. Bei deinem Geschmack legst du mir sicher eine Kuh ins Bett. Nein, gnädiger Herr, lass mich selbst eine Braut finden, um die ich dich dann bitten darf.«
»Blöder Kerl!« Erik lachte und stieß ihn leicht gegen die Brust. »Keine Kuh! Aber wir nehmen fünf neue Mägde mit. Vielleicht gefällt dir ja eine von denen.«
»Heirate du! Ich hab noch Zeit.«
Sie liefen um die Wette zu ihren Pferden. Tyrkir schwang sich als Erster in den Sattel und Erik galoppierte ihm nach, am Birkenwäldchen vorbei und den Wiesenhügel hinunter.
Die Blutopfer waren dargebracht. Vor allem war die Muttergöttin Frigg um Wohlergehen, Kindersegen und ein friedvolles Zusammenleben angefleht worden, außerdem hatte Thorbjörg Schiffsbrust darauf bestanden, dass auch der kleinen Göttin War gedacht wurde, die jedes Versprechen erhört und auch erfüllt. Geruch nach verbranntem Wacholder zog durch die geräumige Wohnhalle; weil das Herdfeuer in Thjodhilds neuem Zuhause heute nicht geweiht werden konnte, würde sie etwas von der heiligen Asche in einem Lederbeutel mitnehmen und die Handlung später auf Spitzklipp nachvollziehen.
Alle Gäste hatten ihre Plätze eingenommen; die engsten Verwandten saßen dicht gedrängt neben den Ehrenstühlen, dann schlossen sich Freunde und Nachbarn an.
Peinlich musste der Gastgeber auf die Sitzordnung achten, denn Nähe und Ferne zeigten, welche Achtung er den Geladenen entgegenbrachte. Kein Fehler war Thorbjörn unterlaufen, das bewiesen die zufriedenen Mienen. Und nachdem er die Brautleute zusammengeführt hatte, brandeten Jubel und Hochrufe im Saal auf. Nur mit Mühe gelang es ihm jetzt, die Begeisterung wieder zu dämpfen: »Freunde! Freunde, so hört mich an!« Es dauerte, bis er fortfahren konnte: »Lasst uns den Eid leisten!«
Die Gesellschaft schwieg. »Ein jeder in dieser Halle schwört bei seiner Ehre, dass er dem anderen kein Wort übel nimmt, solange wir trinken und das Fest andauert. Ganz gleich, wie hart unsere Köpfe werden, keine Fehde darf durch den Rausch entstehen!«
Frauen und Männer hoben feierlich die rechte Hand.
»Damit eröffne ich das Hochzeitsfest. Trinkt und esst, tanzt und lacht, seid für drei Tage und zwei Nächte meine Gäste!«
Dampfende Schüsseln wurden von den Mägden hereingebracht, aus Krügen schenkten Knechte die Becher voll.
»Wo ist dein Sklave?« Thjodhild saß neben Erik auf der zweiten, etwas niedrigeren Ehrenbank den Eltern gegenüber. Zum Zeichen ihres neuen Standes hatte sie das blonde Haar zum Knoten im Nacken hochgesteckt, und am Gürtel ihres hellblauen Kleides hing der große Ring. An Schlüsseln fehlte es noch, aber die würden ihr im neuen Zuhause übergeben werden. »Ich möchte mit ihm und dir zuerst trinken. Weil ich den Verdacht nicht loswerde, dass er es war, der uns zusammengeführt hat.«
»So ist es nun auch nicht«, widersprach Erik lahm. »Aber wenn du’s sagst. Na ja, kann schon was dran sein.« Er stieß einen Pfiff aus. Am Ausgang der Halle hob Tyrkir sofort den Kopf, verstand das Handzeichen und zwängte sich durch die Reihen zum Brautpaar. Fragend blickte er den Roten an.
»Nein, nicht ich, deine Herrin hat dir etwas zu sagen.«
Thjodhild reichte dem Sklaven ihren Krug voll Met. »Wie ich weiß, bist du der Freund meines Mannes. Und ich wünsche sehr, dass du mir nicht nur dienst, sondern auch in Freude und Leid zu mir stehst, so treu wie ihm.«
Offen sah Tyrkir sie an. »Es ist schwer, Liebe zu teilen, Herrin. Aber gleich nach Erik gebe ich dir einen Ehrenplatz in meinem Herzen.« Er nahm einen Schluck und reichte ihr den Krug zurück, sie stieß mit Erik an und beide leerten die Gefäße bis auf den Grund.
Jäh entstand Lärm draußen. Ein Mann schrie, fluchte, seine Worte waren nicht zu verstehen. Nach und nach wurde die Gesellschaft aufmerksam und das unbeschwerte Gelächter wich einer wachsamen Spannung.
»… Komm raus! Du hast mir die Braut gestohlen! Hörst du mich, du Feigling? Stell dich zum Kampf!«
Thjodhild verkrampfte die Hände in ihrem Hochzeitsschal. »Es ist Ejolf Dreck«, flüsterte sie, »höre nicht hin, bitte!«
Weiter schrie und höhnte draußen der Eifersüchtige. Die Gäste wurden unruhig, einige Männer tasteten nach den Dolchen.
Besorgt blickte Tyrkir auf den Freund, sah, wie der Zorn in ihm wuchs. Hilf, großer Tyr, flehte er
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