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Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Titel: Erinnerungen der Kaiserin Katharina II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina II. von Rußland
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ihn fortschicken. Nachdem sie mit diesem fertig war, trat der Großfürst, der sich in seinem Zimmer umkleidete, im Schlafrock, die Nachtmütze in der Hand sehr vergnügt und rasch ein. Er beeilte sich, der Kaiserin die Hand zu küssen, diese küßte ihn und fragte, wie er sich habe unterstehen können, zu tun, was er getan. Sie sei in das Zimmer gekommen, wo der Tisch mit der mechanischen Vorrichtung stände, habe dort die geheime Tür ganz durchlöchert gefunden und alle Löcher gerade auf den Platz gerichtet, wo sie gewöhnlich sitze. Durch ein solches Verhalten verletze er offenbar die nötige Rücksicht gegen sie, und sie könne ihn fortan nur noch als einen Undankbaren betrachten. Ihr eigener Vater, Peter I., habe auch einen undankbaren Sohn gehabt, den er durch Enterbung gestraft, und zur Zeit der Kaiserin Anna habe sie selbst dieser stets die Achtung bewiesen, welche man einem gekrönten und von Gott gesalbten Haupt schuldig sei. Jene habe keinen Spaß verstanden, und die, welche es an Respekt fehlen ließen, auf die Festung geschickt. Er sei nichts als ein dummer Junge, den sie erst Lebensart lehren müsse. Bei diesen Worten fing er an ärgerlich zu werden und stammelte einige Worte, aber sie befahl ihm, zu schweigen und wurde so heftig, daß sie in ihrem Zorne kein Maß mehr kannte, was gewöhnlich geschah, wenn sie ärgerlich war, und sagte ihm mit ebensoviel Verachtung als Wut die größten Beleidigungen ins Gesicht.
    Wir waren beide ganz bestürzt und betäubt, und obgleich der ganze Auftritt nicht mich direkt betraf, so traten mir doch die Tränen in die Augen. Sie bemerkte das und sagte: »Meine Worte sind nicht an Sie gerichtet; ich weiß, daß Sie an dem, was er getan, keinen Anteil genommen, daß Sieweder durch die Türe gesehen, noch haben hindurchsehen wollen.« Diese gerechte Bemerkung beruhigte sie ein wenig, und sie schwieg – es war auch in der Tat schwer, dem, was sie gesagt, noch etwas hinzuzufügen – dann grüßte sie und entfernte sich, hochrot und mit funkelnden Augen. Der Großfürst begab sich in sein Zimmer, ich legte mein Kleid schweigend ab und sann über das Geschehene nach. Als ich ausgekleidet war, kam der Großfürst zurück und sagte in halb traurigem, halb satirischem Ton: »Sie war wie eine Furie, sie wußte nicht, was sie sagte.« Ich erwiderte: »Sie war aufs höchste erzürnt.« Und wir wiederholten uns ihre Worte, worauf wir allein in meinem Zimmer dinierten. Nachdem der Großfürst mich verlassen hatte, trat Madame Kruse ein und sagte: »Man muß gestehen, daß die Kaiserin heute wahrhaft als Mutter gehandelt hat.« Da ich aber sah, daß sie mich durchaus zum Reden zu bringen wünschte, schwieg ich erst recht. Sie fuhr fort: »Eine Mutter wird böse, schilt ihre Kinder, und dann ist die Sache abgetan. Sie hätten beide zu ihr sagen sollen: Winowatj Matjuschka (Um Verzeihung, Mutter), und Sie würden sie entwaffnet haben.« Ich antwortete, der Zorn Ihrer Majestät habe mich verwirrt und betäubt; alles, was ich in diesem Augenblick habe tun können, sei gewesen, zuzuhören und zu schweigen. Sie verließ mich, offenbar, um ihren Bericht abzustatten. Mir aber blieb das »ich bitte Sie um Verzeihung, Mutter« als Mittel, den Zorn der Kaiserin zu entwaffnen, im Gedächtnis zurück, und später habe ich, wie man sehen wird, mich seiner bei passender Gelegenheit mit Erfolg bedient.
    Kurz ehe die Kaiserin den Grafen Brummer und den Oberkammerherrn Berkholz ihres Dienstes beim Großfürsten enthob, fand ich den ersteren, als ich eines Morgens mein Zimmer früher als gewöhnlich verließ, allein in meinem Vorzimmer.Er ergriff die Gelegenheit, mit mir zu reden und mich zu bitten und zu beschwören, jeden Tag regelmäßig in das Ankleidezimmer der Kaiserin zu gehen, wozu meine Mutter bei ihrer Abreise mir die Erlaubnis verschafft hatte. Ich hatte bis dahin von diesem Vorrecht sehr wenig Gebrauch gemacht, weil mich das aufs höchste langweilte. Ein- bis zweimal war ich hingegangen, hatte die Frauen der Kaiserin dort gefunden und war, als sich diese nach und nach zurückzogen, mit der Kaiserin allein geblieben. Dies erzählte ich ihm, aber er meinte, das tue nichts zur Sache, ich müßte unbedingt fortfahren. Offen gestanden begriff ich diese Beharrlichkeit des Hofmannes nicht. Ihm konnte es wohl für seine Pläne dienen, aber mir nützte es nichts, im Toilettezimmer der Kaiserin zu kratzfüßeln und ihr obendrein noch lästig zu fallen. Ich erklärte daher dem Grafen Brummer meinen

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