Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
der Maskenballtage war nur für den Hof und für diejenigen, welche die Kaiserin besonders dazu einlud, bestimmt, während der andere für alle Standespersonen bis zum Oberstenrange und für alle die, welche als Offiziere in der Garde dienten, reserviert war; zuweilen wurden auch der ganze Adel und die angesehensten Kaufleute zugelassen. Die Hofbälle überschritten nie die Zahl von 160–200, die sogenannten öffentlichen aber zählten meistens 800 Personen.Im Jahre 1744 gefiel es der Kaiserin Elisabeth einmal, bei den Hofmaskenbällen alle Männer in Frauenkleidern und alle Frauen in Männerkleidern ohne Gesichtsmaske erscheinen zu lassen. Die Männer in große Reifröcke und Frauenüberwürfe gehüllt und wie die Damen bei Hoffesten frisiert, während die Damen so, wie die Herren an solchen Tagen zu erscheinen pflegen, gekleidet waren. Den Herren waren diese Tage der Metamorphose nicht eben angenehm; die meisten waren vielmehr in der schlechtesten Stimmung, weil sie fühlten, wie häßlich sie ihr Anzug machte. Die Frauen wiederum sahen aus wie magere kleine Jungen oder wurden – besonders die älteren – durch ihre dicken und kurzen Beine nicht gerade verschönert. Nur die Kaiserin selbst erschien wirklich schön und vollkommen als Mann. Da sie groß und etwas stark war, stand ihr die männliche Kleidung vortrefflich. Sie besaß das schönste Bein, das ich je an einem Menschen gesehen und einen vollkommen proportionierten Fuß. Sie tanzte mit vollendeter Kunst und hatte in allem was sie tat eine eigenartige Grazie, gleichviel ob sie als Frau oder als Mann gekleidet war. Man hätte nie die Augen von ihr lassen mögen und wandte sie um so ungerner ab, da man keinen Gegenstand fand, der sie ersetzte. Eines Tages sah ich sie auf einem dieser Bälle Menuett tanzen. Als sie fertig war, kam sie auf mich zu, wobei ich mir die Freiheit nahm, ihr zu sagen, es wäre ein wahres Glück für die Frauen, daß sie kein Mann sei, und schon ein so von ihr gemaltes Bild würde allen den Kopf verdrehen. Sie nahm meine Bemerkung sehr wohl auf und erwiderte auf die anmutigste Weise in demselben Ton, wäre sie ein Mann, so würde sie niemand als mir den Apfel reichen. Ich verbeugte mich, um ihr auf ein so unerwartetes Kompliment die Hand zu küssen, aber sie kam mir zuvor und küßte mich, worauf die ganze Gesellschaft ausfindig zu machensuchte, was zwischen uns vorgefallen sei. Ich machte denn auch gegen Tschoglokoff kein Geheimnis daraus, der es zwei oder drei Personen zuflüsterte, und nach etwa einer Viertelstunde wußten es alle Anwesenden.
Während des letzten Aufenthaltes in Moskau hatte Fürst Yussupoff, der Senator und Chef des Kadettenkorps, das Oberkommando der Stadt Petersburg gehabt, wo er während der Abwesenheit des Hofes zurückgeblieben war. Er hatte, teils zu seiner eigenen Unterhaltung, teils zum Vergnügen der Hauptpersonen seiner Umgebung, von den Kadetten abwechselnd die besten russischen Dramen Sumarokoffs und die französischen von Voltaire – die letzteren indes verstümmelt – aufführen lassen, und bei ihrer Rückkehr von Moskau befahl die Kaiserin, daß die Sumarokoffschen Stücke auch bei Hofe aufgeführt werden sollten. Sie fand an diesen Vorstellungen großen Gefallen und man glaubte zu bemerken, daß sie dieselben mit mehr Interesse verfolge, als man erwartet hatte. Das Theater, welches zuerst in einem Saale des Schlosses aufgebaut war, wurde bald ins Innere ihrer Gemächer verlegt; es gefiel ihr, die Schauspieler zu kostümieren, ihnen prächtige Kleider machen zu lassen und sie ganz mit ihren Juwelen zu bedecken. Vor allem bemerkte man, daß der erste Liebhaber, ein schöner junger Mensch von achtzehn bis neunzehn Jahren, wie sich von selbst verstand, am meisten geschmückt wurde; auch außerhalb des Theaters sah man an ihm Diamantschnallen, Ringe, Uhren, Spitzen und sehr feine Wäsche. Bald darauf trat er aus dem Kadettenkorps aus, und der frühere Günstling der Kaiserin, Oberjägermeister Razumowski nahm ihn sofort zu seinem Adjutanten, was ihm Kapitänsrang verlieh. Nun ergingen sich die Hofleute in Schlüssen auf ihre weise und bildeten sich ein, da Graf Razumowski den Kadetten Beketoff zu seinem Adjutanten gemacht, könne dies keinen andernGrund haben, als dem Kammerherrn Schuwaloff die Wage zu halten. Man wußte nämlich, daß letzterer mit der Familie Razumowski nicht gerade auf bestem Fuße stand, und schloß daraus, daß dieser junge Mensch anfange, große Gunst bei der Kaiserin zu
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