Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
davon zu benachrichtigen. Je weiter die Unterhandlung vorschritt, desto mehr war man bemüht, sie dem Großfürsten in einem günstigen und gefälligen Lichte darzustellen. Und oft sah ich ihn entzückt darüber, was er einst erhalten würde, dann aber hatte er wieder Gewissensbisse über das, was er aufgab. Sah man ihn schwanken, so verschob man die Beratungen auf eine andere Zeit und begann sie erst wieder, nachdem man eine neue Lockspeise entdeckt, welche ihm die Sache vorteilhafter erscheinen ließ.
Zu Frühlingsanfang siedelten wir in den Sommerpalast in das kleine von Peter I. gebaute Haus über, dessen Zimmer zu ebener Erde lagen. Der Steindamm und die Fontankabrücke existierten zu jener Zeit noch nicht. In diesem Hause erlebte ich eins der größten Kümmernisse, die mir während der ganzen Regierung der Kaiserin Elisabeth begegnet sind.Eines Morgens verriet man mir nämlich, die Kaiserin habe meinen alten Kammerdiener Timotheus Nevreinoff verabschiedet. Als Vorwand dieser Entlassung bediente man sich eines Streites, den er in einem Garderobezimmer mit einem Menschen gehabt, welcher uns gewöhnlich den Kaffee präsentierte. Bei diesem Zanke hatte sie der Großfürst überrascht und einen Teil der Beleidigungen, die sie sich gegenseitig an den Kopf warfen, mit angehört. Nevreinoffs Gegner hatte sich dann bei Tschoglokoff beschwert und behauptet, jener habe ihm, ohne Rücksicht auf die Anwesenheit des Großfürsten, die gröbsten Gemeinheiten gesagt. Tschoglokoff berichtete es natürlich sofort der Kaiserin, welche befahl, beide vom Hofe zu entfernen. Nevreinoff wurde nach Kasan verwiesen, wo man ihn später zum Polizeimeister machte. Der Kern der ganzen Sache aber war, daß sowohl Nevreinoff als der Lakai, besonders jedoch der erstere, uns sehr ergeben waren; man suchte daher nur nach einem Vorwand, ihn von mir zu entfernen. Er hatte alles, was ich besaß, unter seinen Händen, und nun befahl die Kaiserin, daß ein Mensch, der sein Gehilfe gewesen, und in den ich nicht das geringste Vertrauen setzte, seinen Platz einnehme.
Nach einem kurzen Aufenthalte im Hause Peters I. kehrten wir in den aus Holz gebauten Sommerpalast zurück, wo man neue Gemächer für uns eingerichtet hatte, deren eine Seite auf die Fontanka – damals noch ein schlammiger Morast – die andere auf einen elenden engen Hof gelegen war. Am Pfingstsonntag ließ mir die Kaiserin sagen, ich möchte die Gemahlin des sächsischen Gesandten, Frau von Arnheim, einladen, mit mir auszureiten. Sie war eine große, sehr wohlgebaute Dame von etwa fünf- bis sechsundzwanzig Jahren, etwas mager und nichts weniger als hübsch von Gesicht, das ganz mit Pockennarben bedeckt war. Da sie es indes verstand,sich zurecht zu machen, erschien sie von weitem gesehen mit einem gewissen Eklat und von zarter Hautfarbe. Frau von Arnheim kam um fünf Uhr nachmittags zu mir, von Kopf bis Fuß als Mann gekleidet, in einem Frack aus rotem Tuch mit goldenen Tressen und einer Weste von schwerem, grünem Stoff mit dem gleichen Besatz. Sie wußte nicht, wo mit ihrem Hut und ihren Händen zu bleiben und kam uns ziemlich linkisch vor. Da es mir bekannt war, daß die Kaiserin es nicht gern sah, wenn ich als Mann ritt, hatte ich mir einen englischen Damensattel machen lassen und ein englisches Reitkleid angezogen von sehr reichem, hellblauem, silberdurchwirktem Stoff mit Kristallknöpfen, welche aufs täuschendste Diamanten glichen; mein schwarzes Barett war mit einem Diamantband umschlungen. Als ich hinunterging, um mein Pferd zu besteigen, kam Ihre Majestät in unsere Gemächer, um uns fortreiten zu sehen. Da ich damals sehr behend und an diese Uebung gewöhnt war, sprang ich auf mein Pferd, sobald ich ihm nahe kam, und ließ meinen Rock, der vorn offen war, zu beiden Seiten des Pferdes hinabwallen. Wie die Kaiserin mich mit so viel Gewandtheit und Schneidigkeit aufspringen sah, brach sie in einen Ruf des Erstaunens aus und rief, es sei unmöglich, besser als ich auf dem Pferde zu sitzen. Sie fragte darauf, was für einen Sattel ich habe, und als sie hörte, es sei ein Damensattel, erklärte sie: »Man könnte schwören, daß sie auf einem Herrensattel sitzt.« Als nun die Reihe an Frau von Arnheim kam, glänzte sie durchaus nicht mit ihrer Gewandtheit vor den Augen Ihrer Majestät. Sie hatte sich ihr eigenes Pferd kommen lassen, eine elende schwarze Mähre, groß und plump, so daß alle behaupteten, es sei eines der Deichselpferde ihres Wagens. Um es zu besteigen, bedurfte
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