Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
auch während dieser Zeit immer ein Buch in der Tasche, und so oft ich einen freien Augenblick fand, benutzte ich ihn, um zu lesen.
Während der Jagden bemerkte ich, daß Tschoglokoff weit freundlicher wurde, besonders gegen mich. Dies ließ mich fürchten, daß er die Absicht habe, mir den Hof zu machen, was mir in keiner Beziehung angenehm war. Zunächst war sein Aeußeres nichts weniger als einnehmend: er war blond und geckenhaft, sehr stark und ebenso schwerfällig an Geist, als an Körper. Alle haßten ihn wie eine Kröte, und er war in der Tat nichts weniger als liebenswürdig. Die Eifersucht, Schlechtigkeit und Böswilligkeit seiner Frau waren ebenfalls Dinge, vor denen man sich hüten mußte, besonders ich, die keine andere Stütze hatte als mich selbst und mein Verdienst – wenn ich überhaupt ein solches besaß. Ich vermied und vereitelte daher die Nachstellungen Tschoglokoffs auf eine, wie mir scheint, sehr geschickte Weise, ohne daß er sich je wegen Mangel an Höflichkeit meinerseits hätte beschweren können. Seine Frau bemerkte dies und wußte mir Dank dafür. Später schloß sie dann große Freundschaft mit mir, zum Teil aus den eben angegebenen Gründen.
An unserem Hofe befanden sich damals zwei KammerherrenSoltikoff, die Söhne des Generaladjutanten Wasili Theodorowitsch Soltikoff, dessen Gemahlin Maria Alexejewna, geborene Galitzin und Mutter jener jungen Herren, bei der Kaiserin in hohem Ansehen stand wegen der ausgezeichneten Dienste, welche sie ihr bei ihrer Thronbesteigung geleistet, und der seltenen Treue und Ergebenheit, die sie ihr bewiesen. Der jüngere ihrer Söhne namens Sergius war seit kurzem mit einer Ehrendame der Kaiserin, Matrena Paulowna Balk, verheiratet. Sein älterer Bruder hieß Peter. Derselbe war ein Einfaltspinsel im vollsten Sinne des Wortes und hatte die stumpfsinnigste Physiognomie, die ich je gesehen: große Glotzaugen, eine Stumpfnase und einen immer halbgeöffneten Mund. Dazu war er die größte Klatschschwester und in dieser Eigenschaft den Tschoglokoffs äußerst willkommen, denen Madame Wladislawa auf Grund ihrer alten Bekanntschaft mit der Mutter dieses Blödsinnigen den Gedanken eingab, ihn mit der Prinzessin von Kurland zu vermählen. Gewiß ist, daß er anfing, ihr den Hof zu machen, ihr seine Hand anbot, ihr Jawort erhielt und seine Eltern die Bewilligung der Kaiserin nachsuchten. Das alles erfuhr der Großfürst erst bei unserer Rückkehr in die Stadt, als bereits die ganze Sache arrangiert war. Er war sehr ärgerlich darüber, schmollte mit der Prinzessin von Kurland, der es indes gelang, ich weiß nicht durch welche Entschuldigung, sich seine Zuneigung, obgleich er ihre Heirat mißbilligte, zu erhalten und lange Zeit einen gewissen Einfluß auf ihn auszuüben. Was mich betraf, so war ich über diese Heirat sehr erfreut und ließ für den zukünftigen Ehemann einen prächtigen Frack sticken. Diese Art Heiraten fanden indes damals bei Hofe erst nach der Zustimmung der Kaiserin, meist nachdem einige Jahre des Wartens verstrichen waren, statt, weil Ihre Majestät selbst den Tag der Trauung festsetzte, ihn oft lange Zeit vergaß,und wenn man sie daran erinnerte, von einem Termin zum andern verschob. So war es auch in diesem Falle. Im Herbst kehrten wir also in die Stadt zurück, und ich hatte die Genugtuung, die Prinzessin von Kurland und Soltikoff Ihrer kaiserlichen Majestät für die Erlaubnis zu ihrer Vermählung danken zu sehen. Uebrigens war die Familie Soltikoff eine der ältesten und edelsten des Reichs. Sie war sogar durch die Mutter der Kaiserin Anna, eine Soltikoff, – aber aus einer andern Linie – mit dem kaiserlichen Hause verwandt, während Biron, durch die Gunst der Kaiserin Anna zum Herzog erhoben, nichts als der Sohn eines armen kurländischen Pächters gewesen war. Dieser Pächter hieß eigentlich Biren, aber die Gunst, in der sein Sohn am russischen Hofe stand, bewirkte, daß die französische Familie Biron ihn in ihren Schoß aufnahm, wozu der Kardinal Fleury viel beitrug, der, weil er den russischen Hof zu gewinnen wünschte, die Pläne und Eitelkeit Birons, des Herzogs von Kurland, begünstigte.
Nach unserer Rückkehr in die Stadt teilte man uns mit, daß außer den schon bestimmten zwei Tagen der Woche, an denen französisches Theater war, zwei andere Tage für Maskenbälle festgesetzt seien. Dazu fügte noch der Großfürst einen für seine Konzerte, die in seinen Zimmern abgehalten wurden, und am Sonntag war gewöhnlich Cour. Einer
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