Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
letzte die Prinzessin von Kurland inne hatte. Sie schliefen zu zwei, drei und vier in einem Zimmer; jede von ihnen hatte eine spanische Wand um ihr Bett, und alle Räume besaßen keinen andern Ausgang, als von einem in den anderen. Auf den ersten Blick hätte man die Wohnung der Ehrendamen für undurchdringlich halten können, denn es war nur möglich, durch das Zimmer der Frau Schmidt oder der Prinzessin von Kurland hineinzugelangen. Aber Frau Schmidt litt oft an Verdauungsbeschwerden von den vielen Straßburger Gänseleberpasteten und anderen Leckerbissen, die ihr die älteren dieser Damen fortwährend zusteckten, so daß nur noch der Ausgang durch das Zimmer der Prinzessin von Kurland blieb. Böse Zungen behaupteten, daß man hier, um in die andern Zimmer zu gelangen, auf diese oder jene Weise Eintritt bezahlen müßte. Was daran Wahres war, ist, daß die Prinzessin von Kurland jahrelang unter den Ehrendamen der Kaiserin Verlobungen stiftete und wieder auflöste, wie sie es gerade für gut befand. Die Geschichte von dem Eingangszoll habe ich aus dem Munde mehrerer Herren, unter andern auch von Leon Narischkin und dem Grafen Buturlin, vernommen, die alle dreist behaupteten, man sei nicht in der Lage, denselben mit Geld zu bezahlen.
Die Liebschaft des Großfürsten mit Madame Teploff dauerte so lange, bis wir aufs Land gingen. Hier wurde sie unterbrochen, weil Seine kaiserliche Hoheit im Sommer unerträglich war. Da sie ihn nun nicht mehr sehen konnte, versprachMadame Teploff ihm wenigstens zwei- bis dreimal wöchentlich zu schreiben. Um ihn also zu einer solchen Korrespondenz zu veranlassen, begann sie damit, ihm einen vier Seiten langen Brief zu schreiben. Kaum hatte er diesen erhalten, kam er mit einem ganz verstörten Gesicht zu mir. Den Brief Madame Teploffs in der Hand, sagte er, vollkommen außer sich und in zornigem Ton: »Denken Sie sich nur, da schreibt sie mir einen vier Seiten langen Brief und will, daß ich das lesen soll. Ja, noch mehr, ich soll ihr antworten, ich, der ich doch exerzieren muß – er hatte neuerdings seine Truppen aus Holstein kommen lassen – dinieren, schießen, dann die Probe der Oper und das Ballett sehen muß, welches die Kadetten darin tanzen sollen. Ich werde ihr sagen lassen, daß ich keine Zeit habe; und ist sie mir böse, so überwerfe ich mich mit ihr bis zum Winter.« – »Das ist jedenfalls der kürzeste Weg,« antwortete ich.
Hier die Erklärung für das Erscheinen der Kadetten in Oranienbaum. Im Frühjahr 1756 glaubten die Schuwaloffs, um den Großfürsten von seinen holsteinschen Truppen abzubringen, sehr politisch zuwege zu gehen, wenn sie die Kaiserin überredeten, Seiner kaiserlichen Hoheit den Befehl über das Landkadettenkorps zu geben, das damals das einzige Korps dieser Art war. Man hatte ihm den intimen Freund Iwan Iwanowitsch Schuwaloffs und seinen Vertrauten Alexander Petrowitsch Melgunoff untergeordnet. Letzterer war mit einer der deutschen Kammerfrauen verheiratet, die bei der Kaiserin in besonderer Gunst stand. So hatten denn die Herren Schuwaloff einen ihnen äußerst ergebenen Mann in der Umgebung des Großfürsten, mit dem er jeden Augenblick sprechen konnte. Unter dem Vorwande des Opernballetts in Oranienbaum brachte man also etwa hundert Kadetten dahin. Herr Melgunoff und die ergebensten seiner Offiziere folgten: alles Aufpasser à la Schuwaloffs. Unter den Lehrern, die mit den Kadetten nach Oranienbaum kamen, befand sich auch ihr Stallmeister Zimmermann, der damals für den besten Reiter in ganz Rußland galt. Da aus meiner vermuteten Schwangerschaft vom vorigen Herbst nichts geworden war, kam mir der Gedanke, bei Zimmermann Reitstunde zu nehmen. Ich sprach davon mit dem Großfürsten, der nichts dagegen hatte.
Schon längst waren die alten, von den Tschoglokoffs eingeführten Regeln vergessen, vernachlässigt oder ignoriert, denn Alexander Schuwaloff genoß seiner selbst wegen gar keine oder doch sehr geringe Achtung. Wir machten uns über ihn, seine Frau, seine Tochter, seinen Schwiegersohn fast in ihrer Gegenwart lustig. Aber sie reizten auch dazu, denn niemals wohl sah man unedlere und gemeinere Gesichter, als die ihrigen. Madame Schuwaloff hatte von mir den Spitznamen Salzsäule erhalten. Sie war mager, klein und gedrungen. Ihr Geiz trat selbst in ihrer Kleidung zutage, denn stets waren ihre Kleider zu eng und hatten eine Breite weniger, als sie haben mußten. Ihre Tochter, die Gräfin Golofkin, war ebenso angezogen. Ihr Kopfputz und ihre
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