Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
Aber ich antwortete ihm trotzdem. Er bat mich in seinen Briefen um eine Menge Näschereien und andere ähnliche Nichtigkeiten und bedankte sich dann überschwenglich dafür. Die Briefe waren übrigens sehr gut und mit viel Humor geschrieben. Er behauptete, er ließe sie von seinem Sekretär schreiben, schließlich aber erfuhr ich, daß dieser Sekretär kein anderer als Graf Poniatowski war, der nicht aus Leons Hause wich, überhaupt mit den Narischkins sehr vertraut verkehrte.
Zu Anfang des Winters zogen wir aus dem Sommerpalast in den Winterpalast, den die Kaiserin aus Holz an derselben Stelle, wo jetzt das Haus der Tschitscherins steht, hatte bauen lassen. Er nahm die ganze Fläche bis gegenüber dem Hause der Gräfin Matjuschkin ein, das damals Naumkoff gehörte. Meine Fenster lagen diesem Hause gerade gegenüber, welches zu dieser Zeit meine Ehrendamen bewohnten. Bei meinem Eintritt war ich sehr überrascht von der Höhe und Größe der Räume, die man uns darin anwies. Vier große Vorzimmer und zwei Gemächer mit einem Kabinett waren für mich und eben so viele für den Großfürsten bestimmt. Sie waren so gut verteilt, daß ich die Nähe des Großfürsten nicht im geringsten zu erleiden hatte. Damit hatte ich viel gewonnen! Graf Alexander Schuwaloff bemerkte meine Zufriedenheit und eilte sofort zur Kaiserin, ihr zu sagen, daß ich die Größe und Zahl der für mich bestimmten Räumlichkeiten sehr gelobt hätte, was er mir darauf mit einer Art Genugtuung, welche er durch das bekannte Blinzeln der Augen und ein Lächeln bezeigte, mitteilte.
In jener Zeit und noch lange nachher bestand das Hauptspielzeug des Großfürsten in einer ungeheuren Menge kleinerPuppen und Soldaten aus Blei, Holz, Teig oder Wachs, welche er auf sehr schmalen Tischen, die ein ganzes Zimmer einnahmen, aufstellte; kaum konnte man sich zwischen den Tischen bewegen. Diese hatte er der Länge nach mit Messingstücken miteinander verbunden, und an dem Messing waren Schnüre befestigt, so daß, wenn man diese anzog, seiner Meinung nach ein Geräusch entstand, das einem Kleingewehrfeuer glich. Die Hoffeste feierte er mit großer Regelmäßigkeit, indem er seine Truppen auf die eben erwähnte Weise Feuer geben ließ. Außerdem löste man täglich die Wache ab, d.h. man nahm von jedem Tische die Puppen, welche dazu bestimmt waren, auf die Wache zu ziehen. Bei dieser Parade war er selbst in Uniform, gestiefelt und gespornt, mit Ringkragen und Schärpe zugegen, und seine Diener, welche zu diesen herrlichen Exerzitien zugelassen wurden, mußten ebenso erscheinen.
Im Winter desselben Jahres glaubte ich aufs neue schwanger zu sein, und man ließ mir zur Ader. Ich hatte oder glaubte vielmehr eine Entzündung an beiden Wangen zu haben, aber nachdem ich einige Tage Schmerzen gehabt, kamen vier Backenzähne zum Vorschein.
Da unsere Gemächer sehr geräumig waren, veranstaltete der Großfürst jede Woche einmal einen Ball und ein Konzert, wozu nur die Ehrendamen und unsere Hofkavaliere mit ihren Frauen eingeladen wurden. Nach den Aussagen der Beteiligten waren diese Bälle niemals interessant. Die Narischkins indes, wozu ich auch die Damen Siniawin und Ismailoff, die Schwestern Narischkins, und die Frau des ältesten Bruders, deren ich bereits Erwähnung getan, rechne, waren geselliger als alle anderen. Leon Narischkin, toller wie je, wurde von jedermann für einen unbedachten Menschen gehalten, und war es auch wirklich. Er hatte die Gewohnheit, beständig aus den Zimmern des Großfürsten in das meinige zu rennen, abernirgends lange zu bleiben. Um bei mir eingelassen zu werden, fing er gewöhnlich vor meiner Tür wie eine Katze zu miauen an, und wenn ich ihm dann antwortete, kam er herein. Eines Tages, es war am 17. Dezember zwischen sechs und sieben Uhr abends, meldete er sich auch auf diese Weise an meiner Tür, worauf ich ihn eintreten ließ. Zuerst übermittelte er mir die Grüße seiner Schwägerin, erzählte mir dann, sie wäre nicht ganz wohl, und fügte hinzu: »Sie sollten sie eigentlich einmal besuchen.« – »Ich würde es gern tun,« erwiderte ich, »aber Sie wissen doch, daß ich nicht ohne Erlaubnis ausgehen kann, und man es mir niemals erlauben wird.« – »Dann werde ich Sie hinführen,« antwortete er, worauf ich rief: »Haben Sie denn den Verstand verloren? Wie kann ich mit Ihnen gehen? Man wird Sie auf die Festung schicken, und ich werde Gott weiß welche Unannehmlichkeiten auszustehen haben!« – »Oh,« sagte er, »kein Mensch
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