Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
Macht, wo er nur konnte, und auf die verschiedenste Weise. Die Gegenpartei Bestuscheffs bildeten der Vizekanzler Woronzow und die Schuwaloffs. England verbündete sich damals mit Preußen, und Frankreich mit Oesterreich.
Schon in dieser Zeit fing die Kaiserin Elisabeth an, häufigan Unpäßlichkeiten zu leiden. Anfangs wußte man nicht genau, was es war, und schrieb die wiederholten Nervenanfälle ihrem Eintritt ins Alter zu. Die Schuwaloffs waren oft sehr beunruhigt und betrübt und versuchten sich beim Großfürsten einzuschmeicheln. Man raunte sich zu, die Unpäßlichkeiten Ihrer kaiserlichen Majestät seien bedeutender als man glaubte; die einen nannten es hysterische Leiden, die andern Ohnmachten, Krämpfe oder Nervenanfälle. Dies währte den ganzen Winter von 1755-1756.
Endlich, im Frühjahr erfuhren wir, daß der Marschall Apraxin das Kommando über die Armee, die in Preußen einrücken sollte, übernommen hatte. Die Marschallin kam mit ihrer jüngsten Tochter zu uns, um Abschied zu nehmen. Bei dieser Gelegenheit sprach ich mit ihr über den Gesundheitszustand der Kaiserin, und wie unangenehm es mir wäre, daß ihr Mann gerade in einer Zeit abreise, wo man sich, wie ich glaubte, nicht besonders auf die Schuwaloffs verlassen könnte. Ich betrachtete sie als meine persönlichen Feinde, weil sie es mir nicht verzeihen würden, daß ich ihre Gegner, besonders die Grafen Razumowski, bevorzugte. Madame Apraxin berichtete Wort für Wort ihrem Gemahle wieder, der sich durch mein Wohlwollen für ihn sehr geschmeichelt fühlte. Auch Graf Bestuscheff war sehr zufrieden mit mir, denn auch er haßte die Schuwaloffs, umso mehr, da er mit den Razumowskis verwandt war; sein Sohn hatte eine Razumowski geheiratet. Apraxin konnte den dabei Interessierten als Vermittler von Nutzen sein wegen des Verhältnisses, das zwischen seiner Tochter und dem Grafen Peter Schuwaloff bestand. Leon übrigens behauptete, Vater und Mutter der jungen Dame wüßten um dieses Verhältnis. Außerdem war es mir vollkommen klar, daß die beiden Schuwaloffs Brockdorf mehr als je dazu benutzten, den Großfürsten möglichst von mir fernzu halten. Trotzdem aber besaß dieser damals noch ein gewisses Zutrauen zu mir, was er merkwürdigerweise nie vollkommen verloren hat; allerdings ohne daß er es selbst wußte oder sich darum kümmerte oder beunruhigte. Damals hatte er sich gerade mit der Gräfin Woronzow entzweit und war in Madame Teploff, eine Nichte der Razumowski, verliebt. Wenn er sie sehen wollte, zog er jedesmal erst mich zu Rate, wie er sein Zimmer ausschmücken sollte, um der Dame besser zu gefallen. Wenn er es dann mit Flinten, Grenadiermützen, Bandelieren u.s.w. ausgeschmückt hatte, so daß es aussah wie ein kleines Zeughaus, zeigte er es mir. Ich ließ ihn gewähren und entfernte mich. Außer dieser Dame brachte man ihm auch noch des Abends eine kleine deutsche Sängerin, Leonore mit Namen, die er unterhielt, zum Souper. An der Veruneinigung des Großfürsten mit der Gräfin Woronzow war besonders die Prinzessin von Kurland schuld, die zu dieser Zeit eine seltsame Rolle am Hofe spielte. Zuvörderst war sie eine alte Jungfer von etwa dreißig Jahren, klein, häßlich und bucklig, wie schon gesagt. Sie hatte es verstanden, sich die Protektion des Beichtvaters der Kaiserin und mehrerer alter Kammerfrauen Ihrer kaiserlichen Majestät zu erwerben, so daß man ihr alles hingehen ließ, was sie tat. Sie wohnte mit den Ehrendamen Ihrer Majestät zusammen, und diese standen unter der Fuchtel einer Frau Schmidt, der Gattin eines Hoftrompeters. Jene Frau Schmidt war eine geborene Finnländerin, erstaunlich dick und massig, übrigens eine herrschsüchtige Person, die den groben, bäurischen Ton ihres ehemaligen Standes beibehalten hatte. Sie spielte indes eine gewisse Rolle am Hofe und stand unter dem unmittelbaren Schutze der alten deutschen und schwedischen Kammerfrauen der Kaiserin. Ebenso begünstigte sie der Hofmarschall Sievers, der selbst ein Finne war, und die Tochter der Madame Kruse, der Schwester einer sehr ergebenen Person,wie schon oben erwähnt, geheiratet hatte. Frau Schmidt regierte das Hauswesen der Ehrendamen mit mehr Kraft als Verstand, erschien aber niemals bei Hofe. In der Oeffentlichkeit stand die Prinzessin von Kurland an der Spitze der Damen, während Frau Schmidt ihr nur insgeheim das Benehmen der Fräuleins am Hofe ans Herz legte. Sie wohnten in hintereinander gelegenen Zimmern, von denen das erste Frau Schmidt und das
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