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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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räumten, schob sie einen Stubenwagen mit rosa Schleifchen am Verdeck herein. »Unser Jüngstes! Uwe geht schon zur Schule.«
    Herr Dornberg machte das erwartete Gesicht und setzte sich in den warmen Gobelinsessel. Andrea hatte ihn noch nicht bemerkt, redete sitzend, redete stehend, redete gehend mit schwingendem schwarzen Haar, trug Hosen, dazu etwas Unruhiges. Jetzt kam sie näher, sah ihn, blieb unüberrascht, sagte Moment!, begleitete die andern zur Tür, winkte diesem und jener zu, vergaß nicht den Kameramann und nicht den Waldbauernbuben, der wohl der Regisseur war.
    Mit dem Zuschnappen des Türschlosses drehte sie sich um, lächelte, kam zurück ins Zimmer, langsam, selbstbewußt, als surre noch irgendwo eine Kamera. Vor Lukas blieb sie stehen und sah ihn sich gründlich an.
    »Sie haben sich nicht sehr toll verändert.«
    Seine Frage, ob sie sich überhaupt noch an ihn erinnern könne, beantwortete sie mit einem Klar; seinen Hinweis, sie sei ja noch ein Kind gewesen, nahm sie nicht minder direkt: »Aber ich hatte schon Augen im Kopf.«
    »Und mich haben Sie angeschwindelt.« Andrea hob den Arm, nahm einen Fingernagel zwischen die Zähne.
    »Ja und?«
    Gerda störte gezielt. Sie ließ das versenkbare Fenster herunter und rangierte den Stubenwagen umständlich in den gewünschten Winkel zur Sonne.
    »Und warum haben Sie mich angeschwindelt?«
    »Nur so. Ich wollte sehen, wie Sie aussehen. Hätte ich gesagt, daß meine Mutter nicht da ist, wären Sie nicht gekommen. Oder?«
    Gerda trat zu ihnen.
    »Darf ich Sie bitten, sich anderswo zu unterhalten, Petra muß jetzt schlafen. Die Filmerei ist ihr sowieso schon auf den Darm geschlagen.«
    Ohne Erwiderung ging Andrea aus dem Zimmer.
    »Ist das Gerdas Haus oder das Ihrer Eltern?« fragte der vertriebene Gast in den Spiegel über der Entreekommode. Andrea stand davor, bemüht, ihr langes Haar unter eine kleine Mütze zu zwingen. »Anders geht’s nicht. Sonst geht sie! Mein Herr Vater hat das Haus idiotischerweise so gebaut, daß nur unsere Zimmer Sonne haben. Sein Problem. Ich wohne nicht mehr hier.«
    Lukas lächelte in den Spiegel.
    »Und was ist mit dem Tee, zu dem Sie mich eingeladen haben?«
    »Zu dem dürfen Sie mich jetzt einladen. Muß nicht unbedingt Tee sein.«
    In dem engen Flitzer vor der Tür schien ihm ihre Ähnlichkeit mit jener Lilly, für die sich seine Erinnerung entschieden hatte, noch verblüffender. Das hing wohl auch mit der Mütze zusammen, unter der Andreas Haar jetzt steckte, Profil und Hals für Vergleiche zugänglicher machte. Nur ihre Handgelenke und die Größe der Hände, für beherzten Zugriff ausgelegt, mußte er als bescheidenen Erbbeitrag Alfredos ausklammern. Und ihre Fingernägel, an denen sie offensichtlich noch biß.
    Lukas! sagte Lukas zu sich. Das ist eine höchst seltene Aufmerksamkeit des Schicksals: die Begegnung mit deinem damaligen Geschmack, in damaliger Frische, ja, sogar noch jünger!
    Andrea fuhr offensiv. Ihre Launen wirkten ungefiltert aufs Gaspedal. Weil er schwieg, fragte sie ihn, ob er enttäuscht sei, ihre Mutter nicht angetroffen zu haben. Er verneinte.
    »Das Haus Passavant hat mich mit neuen Eindrücken ausgiebig entschädigt. Im übrigen habe ich das Alter erreicht, in dem sich Neugier und Geduld die Waage halten.«
    Die veränderte Stadt lenkte ihn ab, er fragte nach Straßen, versuchte Gebäude zu erraten und nannte sein Hotel. Als ihr Schweigen ihm sagte, daß sie sich langweile, ließ er sie erzählen.
    »Was machen Sie so?«
    »Ich studiere ein bißchen.«
    »Und was?«
    »Germanistik.« Sie vollendete eine begonnene Rücksichtslosigkeit: »Und was machen Sie?«
    Will sie das wirklich wissen? Wer so fährt, den interessiert nicht, was andere tun oder wie es ihnen geht.
    »Ich male Männchen«, sagte er.
    »Ach nee«, sagte die Germanistin.
    Schon wollte er sich genauer erklären, merkte aber noch rechtzeitig, daß sie ihm nicht mehr zuhörte.
    »Sind Sie verheiratet?«
    Hierzu wollte er sich nicht genauer erklären:
    »Gewesen.«
    »Also Junggeselle.«
    »So kann man’s nennen.«
    »Aha!«
    Er wollte fragen, wieso aha, doch sie war schon beim nächsten Satz. »Früher haben Sie immer eine Pepitajacke angehabt, in Braun.«
    »Stimmt. Sie haben ein gutes Gedächtnis.«
    »Nicht nur ich. Auch unsere Gerda.« Nach einer Pause fragte sie: »Wie lange bleiben Sie eigentlich?«
    »Der Kongreß geht übermorgen zu Ende. Wahrscheinlich werde ich noch ein paar Tage dranhängen, um alte Freunde zu

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