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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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achten. Und auf die Linie. Ich bin doch noch recht eitel mit meine achtundsechzig Jahr!«
    Kein Zweifel, „sie hatte ihm ihr Schnitzel gebraten, und es wäre
    unhöflich gewesen, wenn er es nicht angenommen hätte. Gespannt saß sie auf ihrem Stuhl, ganz vorne, wie eine Trapezkünstlerin.
    »Aber jetzt müssen Sie erzählen! Nein, erst müssen Sie essen. Ja so was! Die ganzen alten Zeiten stehen wieder auf. War doch schön. Und auf einmal war’s vorbei. Wir haben immer gehofft, daß es vielleicht wieder weitergeht nach dem Umbau, aber uns wurde gekündigt. Und in einem Nachtlokal bedienen, das hätt’ ich sowieso nicht gemacht.«
    In Nachtlokalen würden jetzt die Männchen sitzen, in bügelfreien Hemden, Markenspirituosen auf Spesen trinken, Witze erzählen, über Urlaub und Freundinnen reden, die Flotteren bereits mit Freundinnen über Geld. Stillere würden vielleicht die Frau
    anrufen, sich Schulnoten anhören, betonen, daß es anstrengend sei und Versprechen, etwas Hübsches mitzubringen.
    Ja, sie beschäftigen ihn wieder einmal, die Männchen, jetzt, da er
    Kathi vom Kongreß erzählte, mit Pausen, wenn sie lachte. Und sie mußte oft lachen. Daß er sie komisch schildern konnte, die Männchen, war ihm ein Beweis dafür, wie nah er ihnen stand.
    Oft schon, wenn ihm nichts einfiel, Existenzsorgen auf traten (die gab es im freien Beruf frei Haus), hatte es ihn viel Kraft gekostet, nicht überzulaufen, einfach einen Job anzunehmen, streikberechtigter
    Arbeitnehmer zu werden im Schoß eines Konzerns. So war er, aus Notwehr, zu seinem Zeichnerblickwinkel gekommen. Er sah sie deutlicher: Täglich zu festen Zeiten am bestimmten Platz sein müssen, immer in Stoßzeiten unterwegs. War es da ein Wunder, daß sie Witze erzählten, von Freundinnen träumten, vom Urlaub.
    Und ihn antraten, pünktlich, in Kolonnenfahrt nach Süden?
    Er sah sie unbarmherziger: Sie saßen sich selber auf, den eigenen Parolen vom besseren Leben, die sie ihren Mitmenschen einhämmerten,
    Tag für Tag, mit allen psychologischen Tricks.
    Und er sah sie liebevoller: Sie hatten es nur nach außen leichter. Trotz bezahlten Urlaubs, dreizehntem Monatsgehalt, Versicherungen, Prämien, Gratifikationen, Versorgung für Krankheit und Alter. Sein ungeschütztes Leben erschien ihm auch unter Opfern vernünftiger als eine Tätigkeit, die möglicherweise das Wesen verändert. Hatte er der Versuchung widerstanden, fiel ihm auch immer wieder etwas ein. —
    Kathi, die er darüber nur andeutungsweise unterrichtet hatte, sah ihn an, lange und teilnahmsvoll, ehe sie sagte:
    »Jaja, der Künstler ist noch immer vogelfrei. Und wie geht’s privat, wenn ich das fragen darf?«
    Kathi durfte.
    »So«, sagte sie nach seinem Bericht, und er sah ihr die Frage an, wo denn Suffolk liege. Aber sie stellte sie nicht, eine andere, weit dringlichere lag ihr auf der Zunge. »Dann sind Sie sicher verheiratet und haben Kinder?«
    Bazi kam aus seinem Käfig, ließ sich auf Fraules Hand nieder, hielt wie diese den Kopf schief, daß es aussah, als warteten beide gespannt auf die Antwort.
    »Ich war verheiratet«, sagte Lukas. »Wir haben keine Kinder.«
    Kathi biß sich auf die Lippe und legte die freie Hand auf ihr Barockputtenbäckchen.
    »Ich hab noch gedacht: Frag lieber nicht! Oh, das tut mir leid, Herr Dornberg. Aber mein Gott, so geht’s im Leben. Erst kürzlich hat im Fernsehen ein Professor über die Ehe gesprochen, daß es immer schwieriger wird mit dem Partner, bei der vielen Technik und dem Lärm...«
    Eigentlich wollte Lukas nicht darüber sprechen. Aber wie er sie da sitzen sah, den Bazi auf der Hand und eine Welt erklären, in der sie nicht lebte, unterbrach er sie.
    »Kathi, ich bin nicht geschieden. Meine Frau ist gestorben.«
    Sie schlug die Hände zusammen, daß Bazi erschreckt aufflatterte. »Mein Gott, Herr Dornberg! Das tut mir aber leid.«
    Lukas nickte.
    »Vor zwei Jahren. Fast genauso lang haben wir’s gewußt, ihre Mutter und ich. Sie hat gearbeitet bis zuletzt — sie war Malerin — und nicht gemerkt, wie es um sie stand. Das ist die Gnade bei dieser Krankheit. Ich bin dann weggezogen, nach Suffolk.«
    Er griff nach dem Glas.
    »Ja brav, ja ganz brav!« lobte Bazi und kratzte sich mit dem Fuß hinterm Ohr.
    »Jedenfalls mein herzlichstes Beileid!« sagte Kathi, doch es schien ihr nicht ausreichend, sie stand auf und holte ein neues Bier aus dem Kühlschrank. Bazi blieb auf ihrer Hand sitzen, während sie einschenkte, beobachtete das Geschehen mit

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