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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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von älter auf Alter, wie sich das bei diesem dunklen Typ oft recht früh vollzieht?
    Die Tür wurde geöffnet; offenbar hatte er geklingelt.
    »Guten Tag«, sagte das Hausmädchen im blauweiß gestreiften Kleid mit Schürze. Sie kam ihm bekannt vor.
    »Guten Tag. Sind Sie nicht Fräulein...«
    »Gerda«, bestätigte sie und korrigierte den Familienstand, »Frau Gerda. Und Sie sind Herr Dornberg.«
    Sie ließ ihn eintreten, machte Konversation, es sei lange her, sie habe inzwischen geheiratet, wie es denn gehe und danke der Nachfrage, auch gut.
    Alles schien unverändert: das weiß-grüne Entree mit dem lebensgroßen Sankt Petrus am Fuß der Treppe und dem Pudel, der dastand ohne Reaktionen. Mögliche Veränderung kündigte unvermittelt einsetzender Lärm aus dem Wohnzimmer an, Stimmendurcheinander und Musik. Sehr junge Musik.
    »Und die Hunde sind auch noch da!«
    In der Hocke kraulte Herr Dornberg das gepflegte Fell des Tiers. »Nur Tobby«, sagte Frau Gerda. »Bobby und Hobby liegen unter dem Moos neben der Garage.«
    Dazu fiel Herrn Dornberg nichts mehr ein, er betonte die Zeit, die, jaja, die eben vergeht. Gelächter aus dem Wohnzimmer hatte ihr Gespräch ohnehin beendet. Frau Gerda bekam einen spitzen Mund und drehte den Blick zur Decke wie eine ungnädige gnädige Frau. »Ein Glück, daß die Herrschaften nicht da sind!«
    »Ich denke, Frau Passavant ist da?«
    »Aber wir haben doch Golfwoche!«
    Vorwurfsvoll wiederholte sie den in jahrelanger Solidarität mit der gnädigen Frau überkommenen Blick. Vergeblich versuchte er das Mißverständnis mit der Einladung zum Tee aufzuklären.
    »Andrea sagt viel, Herr Dornberg. Sie wissen, wie die jungen Leute heutzutage sind. Mein Mann sagt immer: Hineinschlagen! Sie kennen meinen Mann. Damals war er noch Soldat, jetzt ist er Chauffeur und besorgt den Garten. Was Sie jetzt sehen... Meine Schuld ist es jedenfalls nicht.«
    Damit öffnete sie die Tür, fast ein wenig stolz auf den Besitz von eindeutig Beanstandbarem.
    Herr Dornberg trat ein, und Frau Gerda war es, als habe sie ihn lächeln gesehen, bevor sie die Tür wieder schloß. Lukas fand den Anblick, der sich ihm bot, in der Tat erfrischend. Aus dem Grauschleier des Unveränderten, der die pastellige Wohlhabenheit überzog, stach Jugend heraus, unbekümmerte Jugend, wohin er sah, Halberwachsene in allen gängigen Verkleidungen uniformiert. An der Einrichtung, soweit sie bei der Fülle zu sehen war, hatte sich nichts geändert; wie eh und je sorgten Cembalo, Gobelinsessel und die überzahlreichen sakralen Plastiken für Kulturflair.
    Neben dem ungefaßten Gottvater kauerte ein blonder Unheiland mit geröteten Augen, Haar und Bart nach Apostelart, im Gobelinsessel lag ein Berg Haare, auf der Lehne eine irgendwie dazugehörige Kinderhand voller Ringe, ein Glas haltend, auf dem Chinateppich unentwirrbares Geräkel von Bahnhofspennern, vielleicht auch Gruppensex in Klamotten. Eine Barfüßige von respektgebietender Schuhnummer stelzte über die Liegenden zu einer Meute Männlichkeit der rauhen Sorte, in Leder und wie von Rodin gruppiert. Und alles war in Bewegung, Arme, Haare, dreckige Stiefel, schwarze Füße, Phantasieumhänge wie aus dem Kostümverleih, Knabenoberkörperchen unter martialischen Bärten, Kinderpopos. Ein abwesendes Wesen unbestimmbaren Geschlechts tanzte derwischgleich.
    Lukas stand hoch immer bei der Tür:
    Und da will Gerdas Mann also hineinschlagen.
    Vor der Bücherwand neben dem großen Fenster zur Terrasse wurde diskutiert, leidenschaftslos, ohne das geringste Lachen. Und da saß sie, auf der Trittleiter für zu hoch gestapelte Literatur: Lilly in jung.
    Lukas rechnete nach.
    Damals muß sie ungefähr zwölf gewesen sein! Bei Kindern rät die Erinnerung grundsätzlich falsch, und nachher fühlt man sich doppelt so alt.
    Die Musik brach ab; von irgendwoher rief jemand:
    »Und jetzt noch einmal schön Bürgerschreck und große Konspiration!«
    Die Musik setzte wieder ein; willig räkelten sich die Altkinder, möglichst verworfen, was immer ein bißchen nach Schunkeln aussieht; sie strengten sich an, ihr Nestgeruch wurde deutlicher.
    Und wofür der ganze schlimme Eifer?
    Lukas sah sich um. Im Eßzimmer, bei der Madonna mit Kind, surrte eine Filmkamera. »Danke. Gestorben!«
    Ein untersetzter Schnauzbart mit pikarischem Waldbauernbubengesicht trat vor und winkte ab.
    »Na endlich!« rief Gerda. »Jetzt aber raus! Petra muß schlafen.« Während die Typen widerspruchslos die ramponierte Gepflegtheit

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