Erknntnisse eines etablierten Herrn
als das zu Ende ging mit... Fräulein Ingrid, mein’ ich, hat sie geheißen. Ich tät sagen: Frau Daniela. Das fand die Chefin übrigens auch. Doch wie’s so geht im Leben: es hat nicht sollen sein. Sie hatten’s leicht, Herr Dornberg, da fällt die Wahl oft doppelt schwer. Richtig ernst war’s eigentlich nur bei der letzten Dame, Sie wissen schon, wen ich meine. Ich will ja nicht neugierig sein, aber wie Sie dann plötzlich weg sind und nie mehr was haben hören lassen, hab ich zur Chefin gesagt: Au weh! Da ist was passiert. Das paßt sonst gar nicht zu unserem Herrn Dornberg.«
»Sie haben völlig recht, Kathi. Gelegentlich muß man sich entschuldigen für die Leute, die man einmal war.«
Kathi stutzte.
»Ach, so meinen Sie das. Ja, vor vier Wochen hab ich Frau Müller-Passavant zuletzt gesehen. Eine große Einladung, gut und gern hundert Personen. Ich hab serviert. Oh, sie sieht noch sehr gut aus. Und erst die Tochter!«
»Kennen Sie die auch?«
»Ja freilich kenn’ ich die. Also Fräulein Andrea — das ist die Mutter in jung. Wie aus dem Gesicht geschnitten, sag ich Ihnen! Und aus der Figur. Nur im Wesen ist sie nicht so zurückhaltend, eben noch jung. Aber sonst...« Seherisch schwenkte Kathi den rosigen Zeigefinger, »in die hätten Sie sich verliebt. Todsicher!«
Dritter Tag
Heute frühstückten die Männchen in Gruppen. Lukas saß an einem Tisch für sich und versuchte, das bildende Element der Gruppierungen herauszufinden. Hatten sie sich nach gemeinsamen Interessen zusammengesetzt, die Befürworter des Vorderradantriebs zu den Befürwortern des Vorderradantriebs, die Riminiurlauber zu den Riminiurlaubern, Wohnwagenanhängeranhänger zu den Wohnwagenanhängeranhängern, Witzeerzähler zu Witzeerzählern und die Beischlafsberichterstatter zu den Beischlafsberichterstattern? Deutlichere Betrachtung der Erfolgsgesichter ergab, daß diese Hypothese Hypothese bleiben würde. Gruppierungen nach Interessen setzen die Fähigkeit voraus, einander zuhören zu können, und hier hatte er die Männchen überschätzt. Sie saßen nicht nach intellektuellen, sondern nach physischen Kategorien geordnet: die Ausgeschlafenen schweinchenrosig bei den schweinchenrosigen Ausgeschlafenen, die verbummelten Unausgeschlafenen bei den unausgeschlafenen verbummelten.
Die Schweinchenrosigen hatten ihre bügelfreien Hemden am Abend im Waschbecken gewaschen und trockneten sie, soweit sie noch nicht ganz trocken wären, mit Körperwärme. Vor allem die kunststoffverstärkten, deshalb feuchtigkeitsspeichernden Kragen. Wenn sie die Köpfe drehten, schlugen ihre Hälse ungleich mehr Falten als die der unausgeschlafenen Bummelanten. Ab und zu hakten sie einen Finger in den Kragen, schoben das Kinn vor, um die Haut nach Kopfwendungen für den Geradeausblick wieder in unverspannte Lage zu bringen; die Unausgeschlafenen, deren Hälse in den getragenen Krägen mühelos beweglich wären, tranken mehr Kaffee und rieben sich hinter der Brille die trockenen, brennenden Augen.
Im Kongreßsaal ergab sich durch die Nähe eine neue Unterscheidung: Die Schweinchenrosigen rochen nach Seife, die Verbummelten nach kaltem Rauch und leichten Magenstörungen, Düfte, die sich schon nach Minuten in Schwaden lungenwarmen Rauchs verloren. Für den Vormittag stand Werbung und Geschmack auf dem Programm; am Nachmittag sollte über Fernsehwerbung real , also mit Schauspielern, geredet werden. Kein Thema für einen Zeichner; er könnte alte Freunde besuchen, Hubert zum Beispiel.
Was die Männchen in verschiedenen Referaten und Sprachen zum Thema zu sagen hatten, mußte jeden nicht branchegestörten Zuhörer verwirren. Diese Gefahr bestand bei Lukas nicht. Er verweigerte jede geistige Gefolgschaft, blieb von Anliegen verschont, wodurch ihm Tendenz und Widersprüche der Gedankengänge um so klarer wurden. Und das ohne jede Anstrengung.
Alle meinten es herzensgut, die deutschen Teilnehmer obendrein noch demokratisch — eine Pflichtübung offenbar, die es vor zehn Jahren noch nicht gegeben hatte. Was sie wollten, war schlichtweg alles: eine Werbung, die schockiert ohne zu schockieren, Sitten und Gebräuche nicht verletzt und das gesunde Volksempfinden, was immer sie darunter verstanden, berücksichtigt. Sie empfahlen, keinem weh zu tun, das aber so, daß alle vor Schmerz aufschrein; ihre Forderung: revolutionär-reaktionäre Hausmannskost.
Entgegen dem Sprichwort vom Geschmack, über den sich nicht streiten lasse, entwickelte sich nach dem letzten
Weitere Kostenlose Bücher