Erknntnisse eines etablierten Herrn
da.
»Hat ja irre lang gedauert. Wieviel Gänge haben Sie denn verdrückt?«
Endlich verstummte van der Vleuten, doch seine Blicke redeten weiter, sagten Donnerwetter! So ein hübsches Ding hätt ich Ihnen gar nicht zugetraut! Wir tagen doch erst seit gestern — sagten sie, die Blicke. Und Lukas sagte:
»Wir haben uns erlaubt, noch einen Nachtisch zu nehmen. Herr van der Vleuten — Fräulein Passavant.«
Die Bekanntgemachten gaben einander die Hand. Andrea sagte nur Hallo und ließ ihre Hand wieder baumeln. Daraufhin fiel dem Belgier ein, er müsse telefonieren; Lukas reagierte höflich.
»Wir wollten doch einen Kaffee zusammen trinken.«
»Ein andermal. Viel Spaß.«
Als er sich Andrea wieder zuwandte, schaute er in ein grinsendes Gesicht mit Fingernagel im Anbiß.
»Merken Sie was? Der meint, wir hätten was miteinander.«
»Andrea, Sie sind ein Kindskopf.«
»Ist Ihnen der Gedanke etwa ekelhaft?«
»Sie haben eine Art, nicht durch die Blume zu sprechen!«
»Wozu auch? Hält nur auf. Nun setzen Sie sich schon endlich!«
Irgend etwas in ihm drängt weg, er will wieder keine Zeit haben und sagt es auch. Sie sagt: »Wieso auf einmal nicht? Ich dachte, wir wollten einen Kaffee zusammen trinken?«
»Vielleicht ein andermal.«
Das hast du ihr gestern schon gesagt! fällt ihm auf, aber ihm fällt nichts anderes ein; er schaut auf die Uhr; Andrea erhebt sich gliedmaßenweise wie eine verschlafene Hündin.
»Wohin müssen Sie denn? Oder ist das wieder zu direkt?«
»Zu einem alten Freund.«
Mit der flächen Hand schlägt sie sich auf die Stirn.
»Hätt ich mir ja denken können! Soll ich Sie hinfahren?«
Sie gefällt ihm, diese neue Variante ihrer Direktheit, er nennt sie eine gute Idee, dreht die Vorausgehende eigenhändig durch die Drehtür, sagt ihr die Adresse.
»Ziemlich weit draußen«, stellt sie fest; nicht unzufrieden, wie ihm scheint. »Dort ist aber nur das Gaswerk und ein Altersheim, soviel ich weiß.«
»Genau da hin.«
»Ins Gaswerk?«
»Ins Altersheim.«
Unverständnis schaut ihn an über das Dach des Flitzers.
«Was wollen Sie denn da?«
»Einen alten Freund besuchen, wie schon gesagt.«
»Aber doch keinen so alten?«
Sie schüttelt mit dem Kopf ihr Haar, taucht in den Wagen und öffnet von innen die Tür.
Was will sie von mir? Die Geschichte gefällt ihm nicht. Nicht weil Andrea ihm gefällt, nein, sein Instinkt blockiert. Und der hat immer recht. Abwarten!
Wenn Andrea bremst, muß er sich festhalten. Auf dem Gehsteig neben der Ampel leistet ein Stahlrohrgerüst mit Riesenpaßbildern lokaler Spitzenkandidaten Wahlhilfe bei Rot.
Auch Daniela ist dabei, lächelt Zuversicht herüber, ein bißchen unpersönlich, retuschiert, aber sie hat doch einen Kopf, und das hilft hoffen. Ein Überkleber von Schulter zu Schulter weist mit großen Lettern auf eine Rede hin, die sie halten wird heute abend. Geräuschvoll fährt Andrea an.
»Hätt ich das nicht sagen sollen, das mit den Alten?«
Mit Selbstironie mildert er den Altersunterschied, nennt sich erinnerungssüchtig, zeiht sich der Sentimentalität. Als er auch noch wissen möchte, ob sie das verstehen könne, wird Andrea ungeduldig.
»Jaja, ich hab schön kapiert. Ist mir völlig klar, wie das ist.«
»Das kann Ihnen gar nicht völlig klar sein, Andrea. Dazu gehört Vergangenheit, und die haben Sie beim besten Willen noch nicht.«
»Glauben Sie bloß nicht, nur Sie hätten was erlebt!«
»Verzeihen Sie, ich zweifle selbstverständlich nicht an Ihrem bewegten Vorleben.«
Ihr Blick kommt aus dem Augenwinkel.
»So bewegt wie das von meiner Mutter ist es natürlich nicht.«
»Flirten Sie nicht mit mir. Achten Sie auf die Straße. Und bitte nicht schon wieder dieses Thema.«
Sie verstummt, ohne schneller zu fahren. Aber ihr Schweigen hat Beigeschmack. Lange hält es nicht.
»Ich muß auch oft ins Altersheim. Zu meinem Opa. Irre teurer Laden. Aber es stinkt trotzdem. Schrecklich, diese alten Leute!«
Das Weihnachtsfest in der Familie fällt ihm ein, mit Alfredos rechtschaffenen Eltern. Andrea zielt schon wieder auf ihr Lieblingsthema.
»Da geht’s zu, sag ich Ihnen! Unwahrscheinlich. Die haben noch echte Liebesbeziehungen mit Eifersucht und so. Ehrlich! Das hält man nicht für möglich. Ich glaub’, die küssen sich noch. Richtig!«
»Warum denn nicht? Lassen Sie sie doch, solang ‘s ihnen Spaß macht.«
»Na hören Sie! Allein die Vorstellung. Igitt!«
»Sie brauchen sich’s ja nicht vorzustellen.«
Genau das hat
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