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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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freundlichen Augen und ihrer Ledertasche in unser Haus kam, dann herrschte Wohlstand in der Küche und im Speiseschrank.
    Doch was suche ich den Ereignissen vorzugreifen? Vorerst war ich ja noch an meinem ersten Lebenstag und brauchte wenig. Und dies wenige bezog man von zwei Kühen, die unter mir im Stall standen. Meine Mutter hatte einige Morgen Wiesen in die Ehe gebracht, und zur Besoldung meines Vaters gehörte der Schulacker. Mithin waren die Ingredienzien gegeben, die man zum Betrieb der Landwirtschaft brauchte und um den Kindersegen zu ernähren, der in alle Schulhäuser mehr als reichlich hineinfloß.
    Daß ich's nicht vergesse, auch mein Onkel von Mackenheim sah gegen Abend nach mir. Er kam mit einem Paar Ochsen vom Beerfelder Viehmarkt und hatte einen Rausch. O, dieses Beerfelden, es war doch ein rechtes Lumpennest. Wer am Morgen katzennüchtern dort ankam, torkelte am Abend sternhagelvoll an dem Galgen vorbei, der auf der Höhe vor dem Städtchen stand. Aber man konnte ohne Beerfelden im Odenwald nicht auskommen. Wo anders hätte man die Viehmärkte abhalten sollen als in seiner breiten Straße und vor seinem vielröhrigen Brunnen, der neben einem Labsal für Ein- und Zweihufer auch noch die Quelle der Mümmling war? Allzuviele Wirtshäuser, es ist wahr, standen in dem Städtchen herum. Da drinnen wurden die Käufe abgeschlossen, und natürlich wurde auch getrunken. Manchmal endete das Gelage mit einem fröhlichen Gesang, manchmal mit einer Keilerei. Aber ob das eine oder andere der Fall war, wenn man schließlich Abschied voneinander nahm, so geschah's unter Händeschütteln und unter dem Versprechen, daß man sich auf dem Viehmarkt wiedersehen wolle, wenn man auf dieser Welt nicht mehr zusammenkommen solle.
    Es gibt Leute, die im Rausche die besseren Menschen sind. So 'war's bei meinem Onkel. Da fühlte er sich reich und war voller Freigebigkeit. »Schullehrer,« hatte er zu meinem Vater gesagt, »was du brauchst, um diesen Frischling großzuziehen, das alles kannst du bei mir auf dem Gute holen. Die Bäume blühen in diesem Jahre wie verrückt. Die Kartoffeln stoßen schon aus den Schollen und drei Kühe sind mir nah am Kalben. Also nichts an den Metzger verkaufen, sondern großziehen was kommt.«
    Ob ich dies alles als Erlebtes beschwören könnte? Nein. Aber da sich in entlegenen Bezirken die Sitten wenig ändern, so wird es bei meiner Geburt gewesen sein, wie es dreißig Jahre später auch noch war.

Weiter auf der Rutschbahn des Lebens

    ach all dem Gesagten war ich zweifellos nicht vom Himmel gefallen, sondern ein echter Odenwälder. Nun könnten neugierige Menschen kommen und fragen, wie ich zu dem fremdländischen Namen gekommen sei und wo ich eigentlich herstamme. Ich will ihnen das wenige sagen, was ich darüber weiß. Der Vater meines Vaters soll in Wehrheim am Taunus eine Strumpfweberei besessen haben und späterhin Torschreiber in Frankfurt gewesen sein. Seine Söhne wußte er im Dienste der freien Stadt nicht unterzubringen. Mein Vater ging ins Darmstädtische, und so kam es, daß ich als der Sohn eines großherzoglichen Schulmeisters auf hessischem Boden das Licht der Welt erblickte.
    Wovon meine Frankfurter Großmutter nach dem Tode ihres Mannes gelebt hat, weiß ich nicht. Ich erinnere mich nur, daß ich als Kind zuweilen bei ihr in der Mainstadt war, als sie hinterm Weißen Lämmchen wohnte. Von der Ecke ihres Wohnhauses herab blickte im flatternden Rokokokleid eine hölzerne Muttergottes freundlich auf die Straße, was jedoch nicht verhinderte, daß dieser Straße Pflaster immer sehr schmutzig und von leichtsinnigem Volk betreten war. Das ganze Erdgeschoß im großmütterlichen Hause schien etwas in den Boden gesunken zu sein, war feucht und roch nachGewürznelken und Petroleum. Die Hälfte des Innenhofes war in Stockwerkhöhe von einer schönen Holzgalerie umkleidet. Hatte man diese erst auf altmodischer Treppe erreicht, so wurde die Luft reiner und gleichfalls der Boden. Man merke wohl auf, wo der Magistrat aufhörte, da fing meine Großmutter an zu regieren, wenn auch zunächst noch mit unsichtbaren Händen. Wollte man sie selber sehen, so mußte man an einem blanken Messingringe ziehen, worauf sie zu erscheinen pflegte, das Matronengesicht von einer Spitzenhaube umrahmt. War der Gast nicht willkommen, so lag eine feudale Kälte in den vornehmen Zügen, die sich aber zu milder Sonnenwärme wandelte, sobald das Gegenteil der Fall war. Das Möblement der alten Dame war derart, daß

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