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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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denn er schüttelte den Kopf.
    »Okay, dann wollen wir das mal prüfen«, knurrte er und presste sie gegen die Flurwand. Bleib stehen, sonst wirst du es bereuen, sagte sein kalter Blick.
    Während er anfing, die mittleren Kartons herauszuzerren, sah sie sich auf dem schmalen Flur um, der im Grunde nichts als toter Raum war: ein Hocker neben der Tür zum Schlafzimmer, eine Vase vor dem Mansardenfenster. Die Schleifmaschine unter der Dachschräge.
    Wenn ich ihm den Hocker auf den Hinterkopf schlage   …
    Sie schluckte und rang die Hände. Wie fest musste sie zuschlagen?
    Derweil wuchtete ihr Mann einen Karton aus dem kleinen Zimmer und knallte ihn ihr vor die Füße.
    »Schauen wir uns den hier doch mal an. Gleich wissen wir, ob du darin herumgeschnüffelt hast oder nicht.«
    Sie starrte hinein, als er den Deckel öffnete. Das war der Karton, der zuunterst und irgendwie mittendrin gestanden hatte. Einer der beiden Kartons aus dem Herzen der Grabkammer. Einer der beiden Kartons, die seine intimsten Geheimnisse bargen: den Zeitungsartikel über sie im Bernstorffpark und die hölzerne Archivbox mit all den Adressen und Informationen über die Familien. Er wusste offenbar ganz genau, wo der stand.
    Sie schloss die Augen und bemühte sich, ruhig zu atmen. Wenn es einen Gott gab, dann musste er ihr jetzt helfen.
    »Ich weiß nicht, warum du diesen ganzen alten Papierkram hier herausholst. Was hat das alles mit mir zu tun?«
    Er kniete sich auf den Boden, zog den ersten Packen Zeitungsausschnitte heraus und legte ihn zur Seite. Wahrscheinlich, damit ich die Zeitungsartikel über mich selbst nicht sehe, falls er mich für unschuldig befindet, dachte sie.
    Also hatte sie ihn überzeugt.
    Da zog er vorsichtig die hölzerne Archivbox heraus. Er musste sie nicht einmal öffnen, er ließ einfach nur den Kopf sinken und sagte ganz leise: »Warum konntest du meine Sachen nicht in Ruhe lassen?«
    Was hatte er gesehen? Was hatte sie übersehen?
    Sie starrte auf seinen Rücken und hinüber zu dem Hocker und wieder auf seinen Rücken.
    Was hatten die Papiere in dem Holzkasten zu bedeuten? Warum ballte er seine Hand zur Faust, dass die Knochen weiß leuchteten?
    Sie fasste sich an den Hals und spürte das Herz klopfen.
    Als er sich zu ihr umdrehte, waren seine Augen nur noch Schlitze und sein Blick so voller Abscheu, dass ihr die Luft wegblieb.
    Bis zum Hocker waren es immer noch drei Meter.
    »Ich bin nicht an deinen Sachen gewesen«, sagte sie. »Warum glaubst du das?«
    »Ich glaube es nicht, ich weiß es!«
    Sie tat einen kleinen Schritt in Richtung Schemel. Er reagierte nicht.
    »Hier!« Er zeigte ihr die Vorderseite des Holzkastens. Da war nichts zu sehen.
    »Was soll da sein?«, fragte sie. »Ich sehe nichts.«
    Wenn es gleichzeitig schneit und taut, kann man erleben, wie sich die Schneeflocken beim langsamen Sinken zur Erde auflösen. Wie das Leichte und Schöne von der Luft aufgesogen wird, in der es entstanden ist. Wie die Magie jäh schwindet.
    Wie eine solche Schneeflocke fühlte sie sich jetzt, als er ihre Beine packte und sie ihr unter dem Körper wegriss. Im Fallen sah sie, wie sich ihr Leben auflöste und alles, was sie kannte, zu Pulver wurde. Sie spürte nicht, wie ihr Kopf auf den Fußboden knallte, nur, dass er ihre Beine immer noch festhielt.
    »Nein, an dem Kasten ist nichts zu sehen. Aber da sollte etwas zu sehen sein«, fauchte er.
    Sie spürte das Blut an der Schläfe, aber keinen Schmerz. »Keine Ahnung, was du meinst«, hörte sie sich sagen.
    »Auf dem Deckel saß ein Draht.« Er beugte den Kopf tief zu ihr herunter und hielt sie weiter fest. »Der ist nicht mehr da.«
    »Lass mich los. Ich will aufstehen. Der wird abgefallen sein, ganz einfach. Wann bist zu überhaupt zuletzt an diesen Kartons gewesen? Vor vier Jahren? Was passiert alles in vier Jahren?« Dann holte sie so tief Luft, wie sie konnte, und schrie aus Leibeskräften. »Lass mich endlich los!«
    Aber er ließ sie nicht los.
    Er schleifte sie über den Boden zu dem Raum mit den Kartons. Sie sah den Abstand zum Hocker immer größer werden. Sah den Streifen Blut auf dem Fußboden. Hörte sein Fluchen und Schnaufen, als er ihr den Fuß auf den Rücken stellte, um sie am Boden zu halten.
    Sie wollte wieder schreien, bekam aber keine Luft.
    Da nahm er den Fuß hoch, packte sie hart unter den Achselnund schleuderte sie in den Raum. Dort lag sie nun, in dieser Schleusenkammer aus Umzugskartons, blutend und wie gelähmt, zu überrumpelt, um zu

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