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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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redest nicht. Du bewahrst Umzugskartonsin einem Zimmer auf, als seien da Heiligtümer drin. Du erzählst Lügengeschichten über deine Familie. Du   …«
    Nicht er unterbrach sie. Sie unterbrach sich selbst. Sah betreten zu Boden, außerstande, die Worte wieder aufzusammeln, die ihr nie hätten über die Lippen kommen dürfen.
    »Du hast dich an meinen Kartons zu schaffen gemacht?« Die Frage kam leise, aber die Erkenntnis brannte wie Feuer unter der Haut.
    Sie wusste demnach Sachen über ihn, die sie nicht wissen sollte.
    Wenn er sich ihrer nicht entledigte, war er verloren.
     
    Sein Vater sah zu, wie all seine Sachen zu einem Haufen aufgeschichtet wurden. Altes Spielzeug, die Bücher von Ingvald Lieberkind mit den Tierbildern, all die Kleinigkeiten, die er gesammelt hatte. Ein Zweig, mit dem man sich gut am Rücken kratzen konnte, ein Topf mit Krabbenklauen, versteinerten Seeigeln und Donnerkeilen. Alles kam auf den Haufen. Und als er fertig war, zog sein Vater das Bett von der Wand ab und kippte es auf die Seite. Da kamen seine Geheimnisse unter einem plattgedrückten Hermelin zum Vorschein. Illustrierte, Comics, all die sorglosen Momente.
    Sein Vater betrachtete die Zeitschriften und Heftchen nur kurz. Dann griff er sie sich und fing an zu zählen. Bei jedem feuchtete er seine Fingerspitzen neu an und zählte weiter. Jedes Heftchen ein Ton. Für jeden Ton einen Schlag.
    »Vierundzwanzig Heftchen. Ich frage nicht, wo du die herhast, Chaplin. Das interessiert mich nicht. Du drehst dich jetzt um, und ich schlage dich vierundzwanzigmal, und danach will ich solche Schweinereien nie mehr in diesem Haus sehen, ist das klar?«
    Darauf antwortete er nicht. Er sah nur zu dem Haufen hinüber und nahm von jedem Heftchen Abschied.
    »Du antwortest nicht? Dann verdoppelt sich die Anzahl derSchläge. Da wirst du schon lernen, beim nächsten Mal den Mund aufzumachen.«
    Aber er lernte es nicht. Trotz langer Striemen auf dem Rücken und starker Blutergüsse am Hinterkopf ließ er seinen Vater erneut nach dem Gürtel greifen. Kein Wort kam über seine Lippen. Kein Wimmern.
    Das Schwerste kam allerdings erst zehn Minuten später, als ihm befohlen wurde, unten auf dem Hof ein Streichholz an seine Besitztümer zu halten und sie zu verbrennen. Da nicht zu weinen – das war das Schwerste.
     
    Leicht vorgebeugt stand sie vor den Umzugskartons. Unablässig auf sie einredend hatte ihr Mann sie die Treppe hochgezerrt. Aber sie wollte nichts sagen. Gar nichts.
    »Zwei Dinge müssen wir nun klären«, meinte er. »Gib mir dein Handy.«
    Sie nahm es aus der Tasche, wohl wissend, dass er dort keine Antwort auf seine Fragen finden würde. Kenneth hatte ihr beigebracht, wie man die Anruflisten löscht.
    Er drückte verschiedene Tasten und starrte auf das Display, konnte aber nichts finden. Das freute sie. Es freute sie, dass er nicht erreichte, was er wollte. Was wollte er mit seinem Verdacht jetzt weiter unternehmen?
    »Hast du vielleicht gelernt, die Anruflisten zu löschen?«
    Sie antwortete nicht. Nahm ihm nur ihr Handy aus der Hand und steckte es wieder in die hintere Hosentasche.
    Da deutete er in den engen Raum mit den Umzugskartons. »Sieht ordentlich aus. Hast du gut gemacht.«
    Sie atmete leichter. Auch hier konnte er nichts beweisen. Am Ende würde er sie doch gehen lassen müssen.
    »Aber nicht gut genug. Da, siehst du?«
    Sie blinzelte, während sie sich bemühte, den Raum als Ganzes zu erfassen. Lagen die Mäntel nicht an ihrem Platz? Fiel die Delle im Kartondeckel vielleicht doch auf?
    »Siehst du die Striche dort?« Er bückte sich und deutete auf die Vorderseiten zweier Umzugskisten. Ein kleiner schwarzer Strich am Rand des einen Kartons und ein kleiner schwarzer Strich auf dem anderen. Sie schlossen fast direkt an, aber nicht ganz.
    »Wenn man die Kartons rausnimmt und sie danach wieder aufstapelt, stehen sie anschließend anders übereinander. Siehst du?« Er deutete auf zwei andere Striche, die auch nicht bündig aufeinandertrafen. »Du hast die Kartons rausgenommen und wieder zurückgeräumt. So einfach ist das. Und jetzt wirst du mir erzählen, was du darin gefunden hast.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Du bist ja verrückt. Das sind Pappkartons, nichts weiter. Warum sollte ich mich für die interessieren? Die stehen hier, seit wir eingezogen sind. Die sind nur unterschiedlich zusammengesackt.«
    Das ist ja noch mal gut gegangen, dachte sie. Die Erklärung war plausibel.
    Aber für ihn offenbar nicht plausibel genug,

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