Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel
Bemerkung.«
»Wie hat Esad darauf reagiert?«
»Esad verstand Safets Wut. Er konnte sich selbst auch nicht ertragen. Es quälte ihn, dass er Safet elternlos gemacht hatte. Er war ursprünglich serbisch-orthodox und begann, wieder die Bibel zu studieren, dabei entdeckte er die Abschnitte über Paulus. In ihm erkannte er sich selbst. Paulus lebte sein ganzes Leben lang mit einem Schmerz, von dem ihn Gott nicht befreien wollte.«
»Ein Dorn im Fleisch«, sagte Liv.
»Genau. Esad wurde regelrecht besessen von dem Gedanken, das zu tun, wozu Paulus nicht im Stande gewesen war. Sich von seinem eigenen Schmerz zu befreien, wenn Gott es denn nicht tun wollte. Er begann, seinen eigenen Tod zu planen.«
»Und die Selbstmordgruppe Letzter Ausweg?«
Mogens Andersen nickte. Die Idee war die, anderen Menschen aus einem Leben in Schmerzen herauszuhelfen.
Liv dachte, dass das wirklich Sinn machte. Es erklärte auch, warum Esad Nuhanovic sich entschieden hatte, eine Niere zu spenden. Er wollte Buße tun, einem anderen noch eine Chance geben, bevor er die Welt verließ. Einem, der wie er alleinerziehender Vater eines Jungen war. Einem, der das tun konnte, zu dem er nicht in der Lage gewesen war. Dem Jungen eine schöne und liebevolle Kindheit zu geben. Er hatte die letzte Zeit darauf verwendet, Lebewohl zu sagen und sich vorzubereiten.
»Alles war minutiös geplant. Esad Nuhanovic begann, seinen Tod zu planen. Er wollte damit die Debatte in den Medien vorantreiben.«
Doktor Andersen schlug sich mit der geballten Faust auf den Oberschenkel.
»Das war sein Anliegen. Das Einzige in seinem Leben, auf das er stolz war. Das Einzige, verstehen Sie?«
Liv tat es.
»Und ich konnte es nicht einmal vollenden. Ich konnte das Video nicht ins Internet stellen.«
»Aber warum ihm beim Sterben helfen? Warum haben Sie nicht stattdessen versucht, ihm beim Leben zu helfen?«, fragte Liv und dachte gleichzeitig, dass es eine ganz schöne Heuchelei gewesen wäre, hätte Doktor Andersen Esad das Recht zu sterben und über seinen eigenen Tod zu bestimmen abgesprochen. Dennoch verstand sie nicht, warum er ihm als Psychiater nicht irgendwann seine Hilfe angeboten hatte, sich endlich selbst zu vergeben. Irgendwo musste es eine haarfeine Grenze geben, dachte Liv und meinte, Schritte zu hören. Sie erhob sich erwartungsvoll, aber die Schritte setzten ihren Weg fort. Sie seufzte und ließ sich wieder auf den Stuhl sinken.
»Ich dachte, aktive Sterbehilfe wäre für Menschen mit so schlimmen Schmerzen, dass sie das Leben nicht mehr ertragen, Menschen, die sowieso sterben müssen?«, fragte sie.
»Esads Schmerz war viel größer, als es physische Schmerzen je sein können«, antwortete der Arzt. »Der Wunsch von Letzter Ausweg war es, mit Esads Tod die Debatte einen Schritt weiter voranzutreiben als nur bis zu dem Punkt, was ethisch vertretbar ist. Wir wollen nicht bloß diskutieren, inwieweit ein todkranker Mensch das Recht hat, nach dem eigenen Willen zu sterben, sondern inwieweit alle Menschen, die nicht mehr leben wollen, das Recht haben, den Tod als Ausweg zu wählen.«
»Und warum mussten Sie Safet mit einbeziehen?«, fragte Miroslav.
»Es war Esads Wunsch, ihn dabeizuhaben. So konnte er glauben, dass Safet ihm wirklich vergeben hatte.«
»Das hat er zu ihm gesagt?«, fragte Liv, wütend darüber, dass er das Schuldgefühl des Jungen derartig ausgenutzt hatte. Für wen hatte er all das getan? Für die »Sache«? Für sich selbst? Auf jeden Fall nicht für Safet. Das konnte ihr niemand einreden.
»Wie hat Safet auf den Wunsch seines Vaters zu sterben reagiert?«
»Als Esad Safet in seine Pläne eingeweiht hat, ihrem gemeinsamen Schmerz ein Ende zu bereiten, ist Safet zusammengebrochen. Er hat versucht, ihn aufzuhalten und gesagt, dass er ihm vergibt.«
»Aber das reichte nicht?«
»Nein, Esad hatte seinen Entschluss gefasst. Er konnte sich selbst nicht vergeben. Wir haben das viele Male durchgesprochen, sodass Safet genau wusste, was geschehen würde. Ich habe ihm auch ein Alibi besorgt«, sagte der Arzt und fügte hinzu, dass Safet nicht viele Freunde besaß und dass er deshalb ein Treffen mit dem Sohn einer Krankenschwester arrangiert hatte.
Liv dachte, dass das die Handschrift in dem Kalender und die ungewöhnliche Stelle, eine Telefonnummer zu notieren, erklärte, was Roland nach dem Besuch bei Safet erwähnt hatte.
»Esad ist nach dem Besuch der Diskothek also nach Hause gefahren?«
»Ja. Er hatte ein letztes Treffen in Åbenrå
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