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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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bringen.
    Von unten blickte er Maier an und fragte, dessen Scherz ignorierend: »Was gibt’s denn?«
    Er horchte den Worten nach und fand auf einmal, dass sie irgendwie deplatziert klangen. So fragte er auch zu Hause, wenn er sich nach dem Essen erkundigte.
    Maier blickte seinen Chef von oben herab an. Er blähte erst die Backen auf und stieß dann hörbar die Luft aus, bevor er ihm antwortete. Sein Grinsen war verschwunden; der hagere Mann mit dem gezimmerten Scheitel wirkte nun noch blasser als sonst. Kluftingers Magen krampfte sich zusammen. Er merkte, dass es ernst war. Schnell stand er auf. Zu schnell, denn es wurde ihm kurzzeitig schwarz vor Augen. Seine Knie drohten nachzugeben, und um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, hielt er sich an Maier fest. Als er sich wieder im Griff hatte, ließ er seinen Kollegen schleunigst wieder los.
    »Also … ?«, hakte er ungeduldig nach und ging weiter zwischen den Polizeiwagen in Richtung der Menschentraube, die sich auf dem Hof versammelt hatte.
    »Ganz ehrlich, du kennst mich. Ich neige doch nicht zu Übertreibungen … «
    Kluftinger fand, dass jetzt nicht der passende Zeitpunkt war, um Charakterfragen zu diskutieren. Deswegen antwortete er Maier mit einem gelogenen »Nein«.
    »Genau. Aber das, also wirklich … da ist sogar mir schlecht geworden.«
    Kluftinger prüfte misstrauisch das Gesicht seines Kollegen. Er war sich nicht sicher, was er mit dem »sogar mir« hatte andeuten wollen. Vielleicht überinterpretierte er die Äußerung auch. Kluftinger bog jetzt in den Hof ein. Das Bauernhaus und die Ställe lagen links von ihm, nach rechts öffnete sich der Hof auf eine Wiese, an die sich ein kleines Waldstück anschloss.
    Nur noch einen kleinen Hügel musste er erklimmen, dann war er bei der Menschenansammlung angelangt. In der Mitte erkannte er die blaue Baseballkappe von Georg Böhm, dem Pathologen. Und sah, wie sie wieder verschwand. Offenbar hatte sich der Arzt gebückt, zur Leiche, die der Kommissar dort vermutete.
    »Liegt sie da?«, fragte er. Als er keine Antwort bekam, blickte er sich um. Maier war nicht mehr zu sehen. Kluftinger hatte gar nicht gemerkt, dass er am Zaun stehen geblieben war. Er sprach etwas in sein Diktiergerät.
    Kluftinger ging noch ein paar Schritte, dann machte er mit einem Räuspern die Beamten auf sich aufmerksam. Als sie sich umwandten, erschrak er. Ihre Gesichter waren blass, einige atmeten schwer. Sie gingen auseinander, so dass in der Mitte eine Gasse frei wurde. Kluftinger sah jetzt, dass vor ihnen am Boden eine leblose Gestalt auf dem Rücken lag. Die Beine steckten in grauen Flanellhosen, die über und über mit Dreck besudelt waren. Der Blick auf den Oberkörper war ihm noch von Georg Böhm versperrt, der sich über den Toten gebeugt hatte. Als er merkte, dass die Umstehenden zurückwichen, wandte er den Kopf. Die blauen Augen unter der Baseballkappe wirkten trüb. Er stand auf und klopfte dem Kommissar im Vorbeigehen kraftlos auf die Schulter. Der Blick, der ihn traf, war voller Mitleid. Das verwirrte den Kommissar, doch er hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Sein Blickfeld war nun frei. Und was er sah, raubte ihm für einen Moment den Atem.
    Er presste die Zähne zusammen und blickte starr auf das Bild, das sich ihm bot. Vor ihm lag ein Mann, nur mit einer Hose, Strümpfen und einem ehemals weißen, jetzt ziemlich verdreckten Hemd bekleidet. Sein Kragen war von verkrustetem Blut dunkelrot, fast schwarz gefärbt. Eine tiefe, klaffende Wunde zog sich quer über den Hals des Mannes. Auf der Stirn klebte ebenfalls eingetrocknetes Blut. Doch das war es nicht, was den Kommissar und offenbar auch die anderen Kollegen so aus der Fassung brachte. Auf der Brust des Mannes lag, mit ausgebreiteten Flügeln, ein toter, pechschwarzer Vogel.
    Kluftinger wollte schlucken, doch sein Mund war zu trocken. Er wartete darauf, dass ihm schlecht wurde, doch selbst dafür war er zu geschockt. Ihm war sofort klar, dass ihn diese Geschichte noch lange in Atem halten würde. Sie alle.
    Er drehte sich um. Die anderen waren ein paar Schritte zurückgewichen. Er blickte in fragende Gesichter. Es schien ihm, als erwarteten sie, dass er irgendetwas sagte. Etwas, das die Situation weniger bedrückend erscheinen lassen würde. Aber ihm fiel nichts ein. Er drehte sich wieder zur Leiche. Schloss kurz die Augen. Zum einen, um die Fassung wieder zu gewinnen. Zum anderen, um endlich seinen Verstand arbeiten zu lassen. Das würde ihm auch

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