Ernteopfer
springen und im besten Fall einen Punkt dazwischen zu setzen. Oft genug fehlte die ser. Schicksalsergeben stand ich auf.
»Ja, ja«, antwortete ich, ohne diese Bejahung auf eine bestimmte Frage zu münzen.
»Fahr du nur zu deiner Mutter nach Frankfurt, wir deichseln das schon. Kommt, Paul und Melanie, zieht eure Schuhe an.«
Stefanie stand nachdenklich an der Abschlusstür, als wir uns verabschiedeten. Was dachte sie jetzt von mir? Dass ich mich geändert hatte und ihr beweisen wollte, nun auch Zeit für meine Kinder zu haben? Vielleicht dachte sie gerade darüber nach, wieder zurückzukom men?
Paul unterbrach meine Gedankengänge.
»Papa, ich muss dir noch einen Witz erzählen. Der Sohn des Lokomotivführers kommt nach dem ersten Schultag nach Hause und beschwert sich: Von wegen erste Klasse, da sind überall nur Holzstühle.«
Melanie verzog wieder das Gesicht, während ich krampfhaft zu lächeln versuchte.
Die armen Kleinen, was sollte ich jetzt tun? Wie würden sie reagieren, wenn der Holiday Park und der Aquabel- labesuch ausfallen? Würden sie noch Papa zu mir sagen? Zuerst musste ich jemanden finden, bei dem ich sie eine Zeit lang parken konnte. Vor der nächsten Teamsitzung würde das aber nichts werden, das war zu knapp.
Mist, nehme ich sie halt mit ins Büro, dachte ich.
Eine Viertelstunde brauchte ich bis nach Schifferstadt. Eine Viertelstunde, in der Paul es fertigbrachte, mindes tens ein Dutzend mehr oder weniger brauchbare Witze zu erzählen beziehungsweise die Witze zu erklären. Melanie hatte sich währenddessen einen dieser modernen Chips ans Ohr gesteckt und hörte Musik. Keine Ahnung, wie das Ding funktionierte. Für den Einkauf im Discounter war keine Zeit mehr, man würde mich sowieso schon überall suchen.
Meinen Kindern gefiel es im Büro. Das Polizeigebäude hatte sie schon immer fasziniert. Für einen Erwachsenen verliert so etwas aber schnell an Spannung. Ich bemerkte im Vorbeigehen, dass gerade der Getränkeautomat aufge füllt wurde und ein Elektriker den Kopierer überprüfte.
Ich brachte Paul und Melanie in mein Büro und versorg te sie mit Papier und jeder Menge bunter Textmarker. Paul setzte sich sogleich auf meinen Stuhl und schnappte sich den Hörer meines Diensttelefons. Ich verbot ihm unter Höchststrafe, das Telefon auch nur anzufassen, solange ich in der Sitzung sein würde. Bevor Paul einen neuen Witz erzählen konnte, war ich schon wieder draußen.
Die Sitzung hatte schon ohne mich angefangen. Was solls, den Chef brauchte man dafür anscheinend nicht mehr.
»Da bist du ja endlich, Reiner«, grunzte mich Gerhard an. »Wir konnten nicht mehr länger warten, wenn wir heu te noch irgendwas erreichen wollen. Jutta erzählt gerade von den ICE-Nachforschungen.«
»Lass sein, Gerhard«, mischte sich Jutta ein.
»Ich fass noch mal schnell zusammen.«
»Du bist ein Goldschatz, Jutta.« Ich verneigte mich scherzhaft vor ihr.
»Also, unsere Recherchen haben bis jetzt nichts Neues ergeben. Um die fragliche Zeit kamen zwei S-Bahn-Züge und ein IC vorbei. Wir haben bis jetzt allerdings nur das Personal befragen können. Wenn wir mit den Fahrgästen sprechen wollen, müssen wir uns an die Presse wenden. Das gleiche Spiel wie immer. Das S-Bahn-Personal kann uns nicht weiterhelfen, denn in so einem Zug befindet sich sowieso jeweils nur ein Fahrer. Und der muss sich an der infrage kommenden Stelle besonders auf die Gleise konzentrieren, da sich dort eine schlecht einsehbare und langgezogene Kurve befindet. Der Zugführer des IC hat eine Menschenansammlung und einen blauen Transporter gesehen. Diese Versammlung hat er übrigens schon öf ters bemerkt, immer morgens zur gleichen Uhrzeit. Das Kennzeichen des Transporters konnte er natürlich nicht erkennen. Daher sind wir in der Sache nicht weiterge kommen.«
»Das macht nichts«, antwortete ich locker.
»Das Kennzeichen ist mir inzwischen bekannt.«
Meine Mannschaft starrte mich ungläubig an.
»Der Wagen gehört zu Siegfrieds Fuhrpark. Ich wer de mich später darum kümmern. Den Laden müssen wir noch genauer unter die Lupe nehmen, da ist einiges nicht in Ordnung. Hat aber wahrscheinlich nichts mit unse rem Toten zu tun. Die Spurensicherung soll später noch Schablinskis Nachtlager bei Siegfried inspizieren. Ich habe es vorhin schon mal versiegelt.«
Jutta nahm ihre Notizen zur Hand.
»Okay, das wäre dann wohl geklärt. Zum nächsten Punkt: Dein Vollbart ist eine harte Nuss. Wir haben bis jetzt nicht mal seinen Namen in
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