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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Stimmengewirr vieler tausend Männer hörte er das Flattern der Standarten in den Händen des Bastards, der mit seinen Halbbrüdern Odo und Robert im Gefolge hinter den Linien des Fußvolks entlangritt. Orm schaute sich um. Da war das weiße päpstliche Banner mit dem goldenen Kreuz – und Williams eigene Standarte, der schwarze Rabe, Symbol seiner heidnischen Wikingerherkunft, ein Andenken an die Hölle. Die Anspannung wuchs, ohne dass jemand ein Wort sagte; die Männer spürten, dass der Angriff nahe bevorstand.
    Die Befehlshaber von Orms Einheit, Guy fitz Gilbert und Robert von Mortain, traten mit gezogenem Schwert vor die Linien. »Es geht los, Kameraden!«, rief Gilbert. »Wenn ihr pissen oder scheißen müsst, dann tut es jetzt, bevor ihr eure Kettenpanzer zubindet.« An dem Geruch in seiner Umgebung merkte Orm, dass man das einigen Männern nicht zweimal zu sagen brauchte.
    In den Gesichtern der Männer um ihn herum sah er eine rohe Art von Mut. Sie waren unruhig, die brennende Energie, die sich immer weiter aufgebaut hatte, seit sie vor Tagesanbruch geweckt worden waren, wallte hoch; sie konnten es kaum erwarten, dass das
Töten begann. Aber die meisten von ihnen waren zu jung, um zu wissen, was an diesem Tag auf sie zukam.
    Und sie würden einen langen Tag brauchen, vermutete Orm, um einen Krieger wie Harold zu vertreiben.
    Endlich sangen die Trompeten. Die Schützen zur Linken der Normannen liefen als Erste übers Feld auf die Engländer zu. Mit ihrer leichten Rüstung waren sie flink auf den Beinen.
    So begann es. Die Männer stießen ein lautes Gebrüll aus.
    Auf ihrer Anhöhe schlugen sich die Engländer auf die Schilde und schüttelten ihre Schwerter und Äxte. Orm hörte ihre trotzigen Schreie: »Godwineson!« Und »Bastard! Bastard!«, eine Beleidigung, die auf den empfindlichen Herzog gemünzt war. Die Normannen um Orm brüllten zurück: »Gott helfe uns!«, »Heilig Kreuz! Heilig Kreuz!« Während die Schützen weiterliefen, wurde der Lärm ohrenbetäubend, er schallte übers Feld. Orm, der davon überflutet wurde, brüllte selbst; er fühlte, wie sein Herz schneller schlug, und sein Geist brannte lichterloh. Aber trotz all des Radaus konnte er den elementarsten und brutalsten Sprechchor der Engländer hören: »Ut! Ut! Ut! « – Hinaus! Hinaus! Hinaus! Dies war ihre Heimat, sie waren hier, um die Normannen ins Meer zurückzutreiben, und dieses eine unablässig wiederholte Wort, ein rhythmisches, tierisches Grunzen, vermittelte ihre Entschlossenheit wie kein anderes.

    Jetzt plärrten Hörner, und endlich kam der Angriffsbefehl für die Fußtruppen. Auf einmal war die Welt voller Bewegung und Lärm.
    Den Schild am linken Arm, die Axt in der freien rechten Hand, das Schwert auf dem Rücken, marschierte Orm mit den anderen vorwärts. Um ihn herum drängten kräftige Männer in schwerer Rüstung nach vorn, nicht ganz im Laufschritt, aber in schnellem, entschlossenem Tempo. Orm schaute über die Köpfe der vordersten Soldaten hinweg und sah, dass die ganze Linie in Bewegung war, die Normannen im Zentrum, Bretonen zur Linken, Flamen und Franken zur Rechten, Tausende von Männern, die den Hügel hinabstampften.
    Die normannischen Schützen näherten sich den englischen Linien, und Orm hörte die Rufe ihres Befehlshabers: »Anlegen! Spannen! Schießen!« Die Bogen der Bogenschützen waren größer als sie selbst; sie hielten sie hoch und zogen die Sehnen bis zur Brust zurück, und die Armbrüste spien grausame Eisenbolzen, die englische Schilde splittern ließen. Orm sah, wie ein paar Engländer fielen, und das erste Blut des Tages war vergossen worden. Aber die Engländer hatten den Vorteil ihrer erhöhten Stellung, und die meisten Pfeile flogen nicht weit genug.
    Die ersten Fußsoldaten erreichten den tiefsten Punkt des Feldes und begannen, sich den sumpfigen Hang zur englischen Linie hinaufzuschleppen. Man kam nur schwer voran auf einem Boden, der von gehässigen kleinen Gräben, Rinnen und Einkerbungen zerschnitten
und an manchen Stellen zu weich war, um das Gewicht eines gepanzerten Mannes zu tragen. Um Orm herum fielen Männer fluchend hin und rappelten sich mühsam wieder auf; ihre Kettenhemden waren mit Schlamm beschmiert. Selbst wenn man nicht hinfiel, war es sehr anstrengend, sich durch diesen dicken englischen Lehm zu arbeiten. Orm fühlte sich daran erinnert, wie er in der Bretagne, wo es gar nicht so viel anders war als hier, in ein Sumpfloch gefallen war und wie Harold persönlich ihm das

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