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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Leben gerettet hatte. Aber die Normannen marschierten immer noch weiter, behielten immer noch ihre Formation bei, schrien immer noch ihre Beleidigungen und schlugen klappernd auf die Schilde.
    Als sie nah genug an die Engländer herangekommen waren, reagierten diese. Geschosse fielen vom Himmel auf die Normannen herab, ein Hagel von Pfeilen, Wurfspießen und geschleuderten Steinen. Orm hob seinen Schild, um herabfallende Steine abzufangen, und jeder Aufschlag rüttelte seinen Schildarm durch. Auch diesmal half die Höhe den Engländern wieder; ihre Steine und Wurfspieße fielen hart. Ein Kettenhemd sollte vor Pfeilen schützen: Die Engländer hatten keine Armbrüste. Trotzdem fielen um Orm herum Männer, die von einem Pfeil oder einen Wurfspieß unglücklich ins Gesicht oder in den Hals getroffen worden waren. Blut erblühte leuchtend rot, und sein erster Eisengestank war so schockierend wie immer.
    Orm spürte, wie die Männer um ihn herum erlahmten; sie waren schon müde, bevor sie überhaupt nahe
genug heran waren, um zu kämpfen, und in manch junges Gesicht stand angesichts des ersten Blutvergießens ganz in ihrer Nähe die Furcht geschrieben. Er hob seine Axt über den Kopf. »Auf sie, Leute! Und zwar im Laufschritt! Damit werden diese mutterlosen englischen Feiglinge nicht rechnen!« Der Schildwall vor ihm reagierte. Mit neuerlichem Gebrüll rannten sie los, und ihre Füße gruben sich in den schlammigen Boden. Es war schwer, den grausamen Hang hinaufzulaufen, aber sobald er einmal in Schwung war, sobald sein Blut in Wallung geraten war, hatte Orm das Gefühl zu fliegen.
    Und mit einem Mal waren sie bei den Engländern. Mit lautem Krachen prallten die Schildwälle aufeinander. Orm war in einer kämpfenden Menge gefangen, nur eine Reihe hinter dem normannischen Schildwall. Die schiere Wucht schwer gepanzerter Männer, die in ihre Linie einbrachen, trieb die englische Mauer ein, zwei Schritte zurück. Aber sie wurden von den eigenen hinteren Reihen aufgehalten, und die Schlacht verdichtete sich auf eine lang gezogene Reihe von Männern, die aufeinander eindrangen. Metall blitzte auf, Blut spritzte, und das Schreien begann.
    Orm konnte sich kaum bewegen, geschweige denn eine Waffe heben. Aber unmittelbar vor ihm ging ein normannischer Fußsoldat unter einem englischen Schwert zu Boden, und plötzlich war dort eine Lücke. Orm trat auf den sich noch windenden Körper des gefallenen Normannen, um sie zu füllen.
    Ein großer, ungeschlachter Engländer stand Orm
gegenüber. Er schwang sein Schwert in der Hoffnung, seinen Gegnern die Kniesehnen zu durchtrennen, unter den Schilden der Normannen hindurch. Aber Orm bekam seine Axt über den Kopf, heraus aus dem Gewühl, und ließ sie ins Gesicht des Engländers niedersausen. Knochen knirschten, und der Kopf des Mannes wurde wie ein Apfel von der Stirn bis zur Nase gespalten. Die aus den Gelenken gerissene Kinnlade fiel ihm herunter, und Blut strömte aus der Ruine seines Gesichts und tränkte Orms Wams. Einen Herzschlag lang fühlte Orm, wie ihm im tiefsten Innern bange wurde. Dieser erste Augenblick war immer ein Schock im Kopf und in den Eingeweiden, wenn Arme und Hände zum ersten Mal den Schmerz der schieren Anstrengung spürten, das Leben eines Menschen zu beenden.
    Dann kippte der Mann rücklings um. Orm zog die Axt aus seinem Gesicht.
    Ein weiterer Engländer ging mit lautem Geschrei aus der Menge heraus auf ihn los. Er sah sehr jung aus. Orm hatte ein bisschen Platz, und er ließ die Axt sinken, griff über die Schulter nach dem Schwert auf seinem Rücken und schwang es mit aller Kraft einmal, zweimal von oben nach unten. Mit der schweren Waffe kämpfte man nicht Schwert gegen Schwert. Sie war im Grunde ein scharfkantiger Knüppel, und er schlug den Engländer einfach zu Boden. Orm verspürte einen Anflug von Mitleid mit dem gefallenen Jungen.
    Aber dann kam ein dritter schreiend auf ihn zu, und Orm hob erneut seine Waffe.

    So ging es weiter. Überall um ihn herum fielen Männer aus beiden Linien, wurden jedoch stets von neuen ersetzt. Jetzt gab es keine Beleidigungen, keine Sprechchöre mehr, nur noch das fleischige Gurgeln von zerrissenen Körpern, das Kratzen von Eisen auf Knochen, das flüssige Gurgeln von Blut, die gellenden Schreie der Gefallenen und den Gestank von Ausscheidungen und Gemetzel. Es war der Gestank des Schildwalls. Und Orm, der seinem grausigen Schlächterhandwerk nachging, wusste, wenn er seine Konzentration einbüßte oder die Deckung

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