Eroberer
Herbstsonne leuchteten. Jetzt waren die Schafe vertrieben, die Gehöfte ausgeraubt und zerstört, die Menschen getötet, selbst die Kirchen niedergebrannt; dieser Winkel von England roch bereits nach Blut und Rauch, wie die Bretagne, Maine und Anjou.
Wenn man mit Normannen ritt, gewöhnte man sich an solche Dinge. Orm ging davon und suchte nach den Anführern.
Unter dem grauen Licht des englischen Himmels – die Morgendämmerung war noch nicht angebrochen — wohnte William der Messe bei. Sein Halbbruder Odo, ein Bischof im Kettenhemd, hielt sie im Freien ab, damit möglichst viele von Williams Männern ihn sehen
und in seine Gebete einstimmen konnten. William hatte ein Reliquiar um den Hals, ein goldenes Kästchen, das den Finger des Heiligen enthielt, auf den Harold in Bayeux seinen gebrochenen Eid geschworen hatte.
Am Ende des Gottesdienstes trat der stämmige William zornig vor die unruhigen Reihen der Krieger in ihren Kettenhemden. »Erwartet ihr eine Ansprache von mir? Die werdet ihr nicht zu hören kriegen. Ihr wisst alle Bescheid. Wir sitzen hier fest, weit von zu Hause entfernt. Tod oder Sieg, das sind heute die einzigen Alternativen. Doch wenn wir siegen, werdet ihr alle bald Gold und Frauen in rauen Mengen haben. Folgt mir, und es wird so sein. Bringen wir’s hinter uns«, sagte der Bastard.
Die Männer knurrten wie Bären.
Williams Edelleute formierten die Männer rasch zu einer Kolonne. Orm hörte, dass ihnen ein zweistündiger Marsch zu Harolds angeblichem Treffpunkt bevorstand. Noch vor Sonnenaufgang sammelten sie sich auf der Straße, das Fußvolk in seinen Kettenhemden, die Schilde an den Armen und die Schwerter in den Scheiden auf dem Rücken, die Bogen- und Armbrustschützen und die Steinschleuderer mit ihrer komplizierten Ausrüstung. Sie blieben in ihren jeweiligen Volksgruppen und bei ihren Herren, die Normannen bei William, und die Flamen und Franken, die Bretonen und die Männer aus Maine marschierten getrennt. Die Kavallerie würde neben der Straße herreiten. Kundschafter auf schnellen Pferden brachen auf
und ritten voraus, um in Erfahrung zu bringen, wie die Dinge standen.
Als die Fußtruppen sich in Marsch setzten – zunächst mit langsamen, schlurfenden Schritten, bis sie dann ihren Rhythmus fanden –, sangen sie lateinische Psalmen. Ihre vielen tausend Stimmen verschmolzen miteinander und erhoben sich über die Ruinen der niedergebrannten Stadt und die zerstörten Bauernhöfe draußen im Land. Falls noch irgendwelche Engländer am Leben waren, so ließen sie sich nicht blicken.
Orm trug viele Pfund Eisen in seinem Kettenpanzer und seinen Waffen mit sich herum. Die kräftigen Männer um ihn herum, die ebenso beladen waren wie er, rempelten sich beim Laufen an, Eisen prallte scheppernd auf Eisen, und Staub stieg von ihren Stiefeln auf. Aber das Tempo war flott, die Luft frisch, und Orm schwang beim Gehen die Arme, öffnete seine Brust und fühlte, wie sein Herz schneller schlug. Bei dieser Geschwindigkeit würde er das Bier bald weggebrannt haben. Es würde ein guter Tag werden, dachte er und stimmte in die normannischen Gesänge von der Barmherzigkeit ihres Gottes ein.
XXI
»Dort«, Sihtric zeigte hin. »Ich sehe sie. Auf dieser Anhöhe im Süden.«
Godgifu schaute in die angegebene Richtung. Die Sonne war jetzt aufgegangen, und sie musste die Augen beschirmen.
Sie stand auf sumpfigem Boden am rechten Ende einer niedrigen Anhöhe, wo sich das englische Heer in aller Eile versammelte. Die Anhöhe, die Sandlacu genannt wurde, verlief von Osten nach Westen und grenzte an einen Streifen unebenen Landes, das vor ihr zum Süden hin abfiel. Harold war von Caldbec Hill hierher vorgerückt, nachdem seine Kundschafter ihn über den Vormarsch der Normannen unterrichtet hatten.
Und auf einer anderen Erhebung weiter südlich sah sie einen Farbklecks: Rot, Grün, Gold und etwas wie Weizenhalme, die in der leichten Brise wogten. Diese Halme waren Speere.
»Die Normannen«, sagte sie.
»Dann ist das hier das Schlachtfeld«, meinte Sihtric. »Hier wird das Webmuster des Zeitteppichs vollendet werden. Die Normannen im Süden, die von ihren Schiffen und ihrem Stützpunkt bei Haestingaceaster
vorrücken. Die Engländer im Norden, die ihnen den Weg nach Lunden versperren.«
»Schildwall gegen Schildwall.«
»Ja, aber so einfach wird es nicht sein.« Sihtric zeigte auf die im Morgennebel undeutlich sichtbaren Körper von Reitern, die vor den normannischen Linien hin und her ritten.
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