Error
Von der Stelle seitlich neben dem Schuppen, wo sie den Tank mit dem wasserfreien Ammoniak aufbewahrten, stieg eine Wolke auf, die sie für Dampf hielt. Ein paar Minuten später war ein großes Polizeiaufgebot da, und Zula hatte das Gefühl, sie könnte den Dachboden jetzt gefahrlos verlassen. John brüllte sie an, sie habe noch nicht die Erlaubnis herunterzukommen. Danach umarmte er sie und sagte, sie sei sein wunderbares Mädchen. Er fragte sie nach dem Verbleib der Flinte. Dann sagte er ihr noch einmal, wie großartig sie sei, bevor er ihr befahl, wieder nach oben zu gehen und erst herauszukommen, wenn er ihr die Erlaubnis dazu gab. Sie ging wieder hoch und sah durch ein Fenster das, was John ihr hatte ersparen wollen: Die Sanitäter zogen ihre Chemikalienschutzanzüge an und legten ein großes, braunes, verschrumpeltes Ding in einen Leichensack. Einer der Diebe hatte, durch Onkel Johns plötzliches Auftauchen womöglich in Panik versetzt, die Leitung für wasserfreies Ammoniak beschädigt, worauf die Chemikalie herausgespritzt war und ihm das ganze Wasser aus dem Körper gesaugt hatte.
In diesem Moment, aber nie zuvor und seitdem nur selten, hatte sie so etwas wie eine durchgehende unterirdische Linie wahrgenommen, vielleicht vergleichbar mit den Leylinien in T’Rain, die von ihren Leuten in Eritrea zu ihren Leuten in Iowa verlief.
»Mit einem Anruf«, sagte Zula, »könnte ich mehr Informationen über den Troll bekommen.«
Iwanow sah sie weiter erwartungsvoll an und zog nach einer Weile aufmunternd die Augenbrauen hoch.
»Dann«, fügte Zula hinzu, »könnten Sie sich auf den Weg machen.«
Iwanows Miene wurde reglos, so als wäre sie von einem Strahl wasserfreiem Ammoniak getroffen worden.
»Um weiter an der Lösung ihres Problems zu arbeiten«, ergänzte Zula liebenswürdig, »oder was immer Sie sonst tun müssen.«
»Ein Anruf«, sagte Iwanow, »bei wem?«
»Die Firma hat Datenschutzbestimmungen.«
Iwanow verzog das Gesicht. »Klingt nach Bullshit.«
»Es gibt Regeln«, sagte Zula. Zu Beginn ihres Beschäftigungsverhältnisses hatte Onkel Richard ihr nämlich erklärt, dass die meisten Leute, mit denen sie arbeiten würde, mit Y-Chromosomen belastet seien und dass das, was in Pfadfinderlagern funktionierte, auch hier funktionieren solle. Jungs , sagte er, interessieren sich nur für zwei Dinge : Wer ist zuständig, und wie lauten die Regeln. Und tatsächlich funktionierte es wunderbar. Iwanow nickte. »Die Firma kennt Namen, Adressen, demografische Daten ihrer Kunden«, fuhr Zula fort. »Diese Informationen gibt sie aber nicht weiter. Man spielt nicht unter seinem richtigen Namen. Als Spielerin könnte ich nie die wahre Identität des Trolls oder irgendeines anderen Spielers ausfindig machen.«
»Aber jemand«, sagte Iwanow, »jemand in Firma kennt sie.«
»Ja, jemand in der Firma weiß immer Bescheid.«
»Vielleicht wird Regel manchmal gebrochen, nur ein wenig.«
»Normalerweise nicht, aber …« Zula ließ den Satz unvollendet, da Iwanow bereits seine Das ist Bullshit -Geste machte.
Anscheinend war jemand einkaufen gegangen, denn ihr Russisch war plötzlich durchsetzt mit Ausdrücken wie »venti mocha«.
»Peter«, sagte Sokolow, der erste Ton, den er seit einer ganzen Weile von sich gab.
Als Peter aufblickte, sah er, dass Sokolow mit einem vielsagenden Kopfnicken auf eine Überwachungskamera deutete, die am oberen Treppenansatz angebracht und hinunter in die Werkstatt gerichtet war.
»Sie haben zwei Überwachungskameras.«
Peter antwortete nicht.
»Oder vielleicht noch mehr?«, fuhr Sokolow fort.
Peter überlegte. »Drei, um genau zu sein«, gab er zu.
»Aha«, sagte Sokolow.
Zula fragte sich einen Moment lang, wie Sokolow bloß die dritte hatte übersehen können. Sie waren alle ziemlich offensichtlich: Eine hing am Straßeneingang und war in die vordere Halle gerichtet; die zweite in der Werkstatt deckte die Türen zu der Hintergasse ab; die dritte war die am oberen Treppenabsatz.
Dann ging ihr ein Licht auf. Sokolow testete Peter.
Der Mann wusste ganz genau, dass es drei Kameras gab; er war durch sämtliche Räumlichkeiten gegangen, hatte alles inspiziert. Aber er hatte einfach von zweien gesprochen, um zu sehen, ob Peter die Existenz einer dritten zugeben würde.
»Bewegung aktiviert?«, fragte Sokolow.
»Ja.«
»Daten wo gespeichert?«
»Hier«, sagte Peter. »Auf meinem Server.«
Sokolow ließ nicht erkennen, dass er es gehört hatte, sondern starrte Peter für ein paar
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