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Ersehnt

Ersehnt

Titel: Ersehnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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Meriwether und ich daran arbeiteten, den Laden ins 20. Jahrhundert zu zerren, wenn nicht sogar ins 21.
    »Erst müssen wir die neue Ware einräumen«, sagte sie und zeigte auf die blauen Plastikkästen mit Produkten, die in die Regale mussten. Wir hatten angefangen, den Laden langsam umzuorganisieren, und die Waren logischer zusammengestellt, als der Großvater vom alten Mac es 1924 für sinnvoll gehalten hatte. Es war ein witziger Gedanke, dass ich den Großvater von Old Mac und seinen glänzenden neuen Laden hätte sehen können, wenn ich 1924 hier gewesen wäre - was ich natürlich nicht war.
    »Guck mal hier.« Meriwether ging in die Hocke und zeigte mir mehrere neue Kartons: homöopathische Heilmittel. Ich hatte den alten Mann lange genervt, welche ins Sortiment aufzunehmen, weil die Kunden schon mehrfach danach gefragt hatten.
    Ich presste die Hände aneinander und tat so, als würde ich vor Begeisterung in Ohnmacht fallen. Meriwether grinste. »Wenn ihr Mädchen arbeiten würdet, statt nur rumzualbern wärt ihr vielleicht euren Lohn wert!«, schrie uns MacIntyre durch den ganzen Laden zu.
    Ich schnappte mir einen Karton mit Echinacea-Salbe, lächelte ihn bezaubernd an und zeigte ihm den hochgereckten Daumen. Seine Augen verfinsterten sich und er stürmte zurück in den Apothekenbereich, wo er die rezeptpflichtigen Medikamente aufbewahrte.
    »Wie machst du das?«, flüsterte mir Meriwether ein paar Minuten später zu, als wir ein paar elastische Binden umräumten, um Platz für die neuen Sachen zu schaffen.
    »Was?«, flüsterte ich zurück. »He, wir könnten die Sachen vielleicht alphabetisch sortieren, oder?«
    »Ja«, stimmte sie mir zu. »Du weißt schon, wieso du nicht ausrastest, wenn mein Dad dich anschreit.«
    Nun, im Laufe der Zeit hatte ich es oft genug mit blutrünstigen Nordmännern zu tun gehabt, von Wikinger-Berserkern und Kosaken ganz zu schweigen. Solange der alte Mac nicht vor meiner Nase jemandem mit einer Axt den Schädel spaltete, konnte ich gut mit dem umgehen, was er austeilte.
    Aber das konnte ich im Leben nicht sagen.
    »Vielleicht, weil er nicht mein Vater ist«, wisperte ich leise. »Es ist immer schlimmer, wenn es der eigene Dad ist.« Ich hatte meinen Vater verloren, als ich zehn war, also war das nur eine Vermutung. Aber es hörte sich logisch an. »Hast du schon große Pläne für Silvester?«
    Meriwether lächelte, was sie so veränderte, dass ich verblüfft blinzelte. Sie nickte. »In der Schule ist ein Tanzabend«, murmelte sie. »Und mein Dad hat tatsächlich erlaubt, dass ich hingehe. Ausnahmsweise. Ich treffe mich vorher mit einer Freundin und wir wollen uns zusammen aufstylen, bevor es losgeht.«
    Für mich hörte sich das so verlockend an wie das Kratzen von Fingernägeln auf einer Schultafel, aber sie sah glücklich aus und ich gönnte ihr die kurze Auszeit von ihrem Vater. »Hast du einen Freund?«
    Sie verzog das Gesicht. »Mich fragt keiner. Die haben zu viel Angst vor meinem Dad. Aber ich hoffe, dass dieser Junge namens Lowell da ist.« Sie atmete hörbar aus. »Und was ist mit dir?«, fragte sie. »Hast du Pläne?«
    Ich nickte. »Aber nichts Besonderes.« Nur ein besonderer Zirkel mit einem Haufen Unsterblicher. Also das Übliche. »Ich werde mit ein paar Freunden zusammensitzen. Ich hoffe nur, dass ich bis Mitternacht durchhalte.« Da ich jeden Tag vor dem Morgengrauen aufstand, fiel ich gewöhnlich spätestens um zehn ins Bett. Das war ... peinlich. Ich war mal viel cooler, Allerdings war diese Coolness auch mit dem Gefühl verbunden gewesen, halb irre und total wertlos zu sein. Also schätze ich, dass ich sie nicht sehr vermisse.
    Ein Kunde kam herein und Meriwether bediente ihn. Ein paar Minuten später kam sie wieder und brachte die Plakate mit, die wir angefertigt hatten, um für die neuen Produkte zu werben. Ich habe nicht die geringste künstlerische Begabung, aber Meriwether hatte sich selbst übertroffen und kleine Figuren gezeichnet, die glücklich strahlend verschiedene Dinge in den Händen hielten, die sie gerade ergattert hatten. Ich hörte auf, Waren einzuräumen, und gemeinsam hängten wir die Poster mit doppelseitigem Klebeband auf. »Wie ist dein Dad so?«, fragte Meriwether plötzlich, als ich eine Ecke hochhielt, damit sie sie ankleben konnte.
    Ich blinzelte. Das hatte mich seit ... einer Ewigkeit niemand mehr gefragt. Wirklich lange. In Gedanken verglich ich meinen Dad, der ein

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