Ersehnt
aufgedeckt, als du weißt oder verstehst.«
Er war zu ruhig. Das stank doch zum Himmel. »Wann bist du ihr begegnet?«
»Ich habe gestern Vormittag bei dir zu Hause reingeschaut. Sie war allein da, und ich hatte kaum ein Wort mit ihr gesprochen, als sie sich auch schon völlig verkrampfte. Und dann überhaupt nicht mehr reagierte. Sie lag einfach nur da und starrte ins Leere. Du bist doch ein cleveres Bürschchen, Sohn. Du kannst doch nicht im Ernst glauben, das mit diesem Mädchen hätte eine Zukunft?«
Gestern war ich heimgekommen, und Della hatte auf dem Boden gelegen. Fuck . »Hast du sie etwa einfach da liegen lassen? Und nicht daran gedacht, mich anzurufen?«
Mein Dad zuckte die Achseln. »Ich wollte ihr nicht zu nahe kommen. Schließlich hätte sie mich genauso packen können, wie sie es bei ihrer Mutter getan hat. Da bin ich lieber gegangen. Und habe Nachforschungen angestellt.«
Er hatte Della einfach so zurückgelassen. Ich starrte diesen Mann an, den ich eigentlich gar nicht wirklich kannte, und kriegte so einen dicken Hals.
»Hat sie dir erzählt, dass die Polizei sie mit blutigen Händen gefunden hat? Sie saß neben der Leiche ihrer Mutter und wiegte sich vor und zurück, mit Blut an den Händen. Und reagierte auf gar nichts. Der einzige Grund, wieso sie nicht hinter Schloss und Riegel kam, war ihr Alibi. Ihre Nachbarin behauptete, die ganze Nacht über mit ihr zusammen gewesen zu sein. Offensichtlich war sie es auch, die dann den Notarzt rief.«
Mir drehte sich der Magen um. Della hatte ihre tote Mutter gefunden. Heilige Scheiße! Das hatte sie mir gar nicht erzählt. Und genauso wenig hatte sie mir berichtet, wie ihre Mutter gestorben war beziehungsweise dass sie verdächtigt worden war, ihre Mutter umgebracht zu haben. Es gab so vieles, wovon ich nichts ahnte.
»Ich wusste nicht, dass sie ihre Mutter gefunden hat. Scheiße! « Ich taumelte zurück und sank auf den Stuhl hinter mir. Kein Wunder, dass Della völlig durcheinander war. Von der Außenwelt abgeschnitten, hatte sie mit einer Verrückten zusammengelebt. Und als sie dann den Mut gefunden hatte, zu fliehen, wann immer es ging, hatte sie bei der Heimkehr ihre Mutter tot aufgefunden. Blut an den Händen. O Gott. Ich musste gehen. Musste sie in den Armen halten. Vielleicht ging’s ihr ja gut, aber mir nicht. Wie viel hatte sie in so einer kurzen Zeit ertragen müssen?
»Ich muss los.« Ich stand auf und steuerte auf die Tür zu.
»Als dein Vater muss ich Entscheidungen treffen, die zu deinem Besten sind. Erinnere dich daran, wenn du denkst, ich würde dein Leben beherrschen. Ich helfe dir, der Kerrington zu sein, der du deiner Erziehung nach sein solltest.«
Ich sah nicht zu ihm zurück. Es interessierte mich nicht die Bohne, wie ich seiner Meinung nach sein sollte. Unvermittelt hatte ich wieder das Bild meines Großvaters vor mir, wie er meine Großmutter mit so viel Liebe in den Augen angesehen hatte. Er hatte gesagt, eine Welt ohne sie wäre für ihn unvorstellbar. Jetzt verstand ich das. Ich war nicht der Sohn meines Vaters. Ich war der Sohn seines Vaters. Die schäbige, verkorkste und herzlose Einstellung meines Vaters zum Leben war nichts, was er von seinen Eltern geerbt hatte. Sie waren der Grund, warum ich mein Lebensglück finden würde. Mein Großvater hatte mir beigebracht, wonach ich suchen musste.
A ls Leo den Wagen schließlich in Bradens Einfahrt lenkte, waren meine Handgelenke aufgescheuert, und ich musste so dringend pinkeln, dass ich schon Bauchkrämpfe hatte.
»Wir sind da«, sagte ich und biss dabei gegen die Schmerzen fest die Zähne zusammen.
Er schob seine Tür auf, stieg aus und öffnete mir dann die Tür. Ich wartete nicht ab, dass er mich packte und herumriss. Dafür tat mir alles zu weh.
Während er hinter mir die Handschellen löste, schwieg er. Als meine Hände schlaff herunterfielen, hätte ich vor Erleichterung am liebsten geweint.
Er machte sich daran, den Kofferraum zu öffnen, und stellte meine beiden Koffer in der Einfahrt ab. Mit einem kleinen Nicken in meine Richtung stieg er wieder ein und fuhr davon.
Als ich meine Koffer hochheben wollte, fuhren stechende Schmerzen in meine Arme, und ich entschied, mein Gepäck einstweilen dort stehen zu lassen.
Ich ging zur Haustür und betrachtete das Haus. Ich hatte Braden vor ihrer Hochzeit dabei geholfen, es einzurichten. Ihr Mann hatte es vier Monate davor für sie gekauft, sodass Braden alles herrichten konnte und sie als Paar einziehen konnten,
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