Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
Vom Netzwerk:
hinaus auf das Wasser.
    Garth betrachtete ihn nachdenklich. Hier draußen konnte er es wieder fühlen; die seltsame Gewißheit, daß nicht alles mit rechten Dingen zuging. Das Gefühl, daß er, wenn er nicht achtgab, etwas hören oder sehen würde, von dem er lieber nichts wissen wollte. »Glauben Sie wirklich dieses ganze Zeug über Gespenster?« fragte er nervös.
    Greg warf ihm einen prüfenden Blick zu. »Sie möchten wohl lieber glauben, daß sich ein gemeingefährlicher Irrer im Wald versteckt?«
    »Wir suchen einen Mörder, Mr. Lindsey.« Garth beherrschte mühsam seine Stimme. »Vorläufig möchte ich mich mit einem Urteil darüber zurückhalten, um wen es sich handelt.«
    Greg erwiderte nichts. Er hatte es jetzt gespürt. Eine flüchtige Berührung, vorsichtig, suchend, in seinem Kopf. Marcus war noch immer auf der Suche nach einer neuen Energiequelle. Er tat es mit einem ärgerlichen Achselzucken ab.
    Sie standen da und blickten schweigend hinunter ins Wasser. Greg sah Kate an. Sie runzelte die Stirn. Hatte sie es auch gefühlt? Sie hob unvermittelt den Kopf, und ihre Blicke trafen sich. Er konnte in ihren Augen die Unsicherheit sehen; Unsicherheit und Angst.
    »Warum gehen wir nicht zurück zum Farmhaus?« fragte er leise. »Hier können wir nichts mehr tun, habe ich recht, Konstabler? Wir müssen warten, bis das Wasser niedriger wird.«
    Garth nickte. »Warum nicht.« Erst jetzt war ihm Kates bleiches Gesicht aufgefallen. »Sie alle haben hier draußen ein paar schlimme Tage gehabt. Man möchte nicht glauben, daß Leute noch so von der Außenwelt abgeschnitten werden können, nicht heutzutage.« Er begann, zum Cottage zurückzuwaten; erleichtert, wieder in Bewegung zu sein. »Ich muß die Tür versiegeln, bevor wir zurückgehen. Wenn Sie drei lieber schon vorausgehen möchten, komme ich gleich nach.«
    Kate schleppte sich an Jons Seite weiter, beugte sich zurück und schloß die Augen. Er berührte ihre Hand. »Es ist bald vorbei.«
    Sie nickte.
    »Was ist aus dem Buch geworden? Es ist doch hoffentlich nicht noch da drin?«
    Sie lächelte abgespannt. »Die Diskette ist in Sicherheit. Ich glaube nicht, daß meinen Notizen was passiert ist. Ich hatte sie auf dem Tisch gelassen. Oh, Jon.« Mit etwas wie einem Schluchzen lehnte sie sich an ihn, den Kopf an seiner Schulter. Er legte den Arm um sie und war sich wieder Gregs bösen Blicks bewußt, als dieser sich umdrehte. Sie schenkte Greg ein schwaches Lächeln. »Was passiert jetzt als nächstes?«
    »Nichts. Die Untersuchungen der Polizei werden bestimmt nichts ergeben, und das war es dann. Niemand wird je die Rolle erwähnen, die Alison bei dem Ganzen gespielt hat, wie immer sie gewesen sein mag. Niemand wird je mit Sicherheit wissen, was geschehen ist.«
    »Bis auf uns.« Es war ein Flüstern.
    »Bis auf uns.«
    »Und Marcus wird jetzt, da es das Grab nicht mehr gibt, in Frieden ruhen.«
    Greg stieß ein kurzes, bellendes Gelächter aus. »Glaubst du wirklich?«
    »Du etwa nicht?« Kate griff nach Jons Hand.
    »Nein, ich nicht. Er ist noch immer hier. Ich habe ihn da draußen gespürt.« Greg blieb stehen und schloß mit einem Seufzer die Augen. O ja, er war noch da. Und sie auch. Irgendwo. Und sie waren beide auf der Jagd; auf der Jagd nach Verbündeten, nach Macht, nach der Lebenskraft eines Menschen, die ihren Haß erhielt. Es hatte nichts zu bedeuten, daß das Grab verschwunden war. Er schlug die Augen auf und starrte stumm zurück zum Cottage, wo Bob Garth eine Öse und ein Schließband an die Haustür schraubte. Es würde jetzt nicht mehr aufzuhalten sein. Der Kampf hatte begonnen. Die Frage war nur, ob er gegen sie kämpfen, ob er Abstand nehmen und zusehen, oder ob er mitmachen würde. Hinter ihm hatte Jon seinen Arm wieder um Kate gelegt. Dachten sie etwa, er könne sie nicht sehen? Er zog den Kragen hoch und verschränkte die Arme. Es war egal. Was Wut und Eifersucht anbelangte, so besaß er in Marcus den perfekten Lehrer.

LXXIV
    Unter dem Wasser wirbelte der Sand rastlos umher, färbte das vordringende Meer in der Farbe der Erde, die es überfiel. Der feine, aufgewirbelte Sand tanzte im Rhythmus der Wellen, löschte aus, arrangierte neu, schuf eine neue Landschaft unter dem Wasser. Die Küste war daran gewöhnt. Das Meer war ihr Feind, allgegenwärtig, immer wartend. Manchmal drang es nur millimeterweise vor, kroch wie eine Schnecke in der zarten Dämmerung herein, die auf jeden Sturm folgte, manchmal aber stürzte es sich wütend auf seine

Weitere Kostenlose Bücher