Erste Male
persönlich mit Hope über Charlies Engel reden, aber das ging natürlich nicht. Mein Vater hatte zwar sein Know-how als Netzwerkadministrator eingebracht und Hope und mir die allerneusten Webcams installiert, aber das nützt nicht viel, weil Hopes Computer nicht so gnadenlos aufgerüstet ist wie meiner. Bei diesen künstlichen Vieraugengesprächen jammern wir bloß darüber, dass wir uns entweder nicht sehen oder nicht hören können. Wir könnten genauso gut einen Rechenschieber nehmen.
Um ehrlich zu sein, ist mir das ganz recht. Mein Dad würde sich riesig freuen, wenn ich ein Computer-Nerd wäre – dann hätten wir noch ein Gesprächsthema neben dem Laufen –, aber ich bin keiner. Scheiß auf Firewalls. Ich habe kein Vertrauen in Technologie, erst recht nicht mehr, seit ein Hacker von der Pineville High den Inhalt eines Schüler-Computertagebuchs an die ganze Schule gemailt hat. (Das war so erniedrigend, dass der Arme sofort die Schule gewechselt hat.) Hope hat kein Problem damit, ihr innerstes Seelenleben auf die Datenautobahn zu schicken, aber sie ist auch viel weniger misstrauisch als ich. Wenn ich sie nämlich nicht sehen oder hören oder direkt mit ihr reden kann, dann schreibe ich lieber einen Brief mit der Hand als eine E-Mail oder kritzele lieber in dieses Tagebuch, als mit völlig Fremden zu chatten, die Namen wie 2koolchick oder buffyrulz04 tragen. Mir ist vollkommen bewusst, dass ich nicht fit fürs 21. Jahrhundert bin. Im Grunde ist es ein Wunder, dass mein Gehirn am 1. Januar um Mitternacht nicht implodiert ist.
An Stelle von Hope fragte ich schließlich Bridget, ob sie sich dran erinnern könne, dass wir als Kinder mit »Drei Engel für Charlie«-Puppen gespielt haben. Bridget ist so alt wie ich und wohnt gleich gegenüber. In meinen ersten zwölf Lebensjahren reichten diese Qualifikationen, um meine beste Freundin zu werden. Das war allerdings, bevor Bridget ihre Zahnspange ab- und sich einen Freund namens Burke zulegte und bevor ich in den Leistungskursen der siebten Klasse Hope kennenlernte.
»Hey. Weißt du noch, wie wir immer mit den ›Drei Engel für Charlie‹-Puppen gespielt haben?«
Bridget schüttelte ihren goldenen Pferdeschwanz und sah mich an, als würden mir Hörner auf der Stirn wachsen.
Bridget ist hübsch. Sehr hübsch. Ehrlich gesagt ist sie schön. Sie wird meistens mit Grace Kelly oder Gwyneth Paltrow verglichen – je nach Alter des Betrachters.
Ihr Aussehen ist schuld, dass unsere Freundschaft zu Ende ging.
Bevor wir in die siebte Klasse kamen, gingen Bridgetund ich an einem Augustnachmittag mit meiner Mutter und meiner Schwester Schulklamotten einkaufen. Mehrere Verkäuferinnen machten Bemerkungen über die klassische Schönheit und das erstklassige Erbmaterial der drei anderen. Sie hatten alle glattes blondes Haar. (Meins ist strubbelig und brünett.) Ihre Augen waren groß und blau wie Swimmingpools. (Meine klein und braun wie Schlammpfützen.) Ihre Haut leicht gebräunt und makellos. (Meine sonnenverbrannt und picklig.) Sie waren zierlich, hatten aber an den richtigen Stellen Kurven. (Ich war dünn mit langen Armen und Beinen, wie ein Orang-Utan.) Wer hätte da nicht vermutet, dass ich die Nachbarstochter sei? Sie fanden es alle drei zum Totlachen. Ich lachte mit, um meine Scham zu verbergen.
Danach war unsere Freundschaft nicht mehr dieselbe. Aber das war okay: Einen Monat später lernte ich Hope kennen und Bridget traf Burke Roy (einen Achtklässler, Wahnsinn!), und wir brauchten einander sowieso nicht mehr. Mom klammert sich immer noch an die Vorstellung, dass Bridget meine allerdickste Freundin ist, wofür in ihren Augen spricht, dass ich Bridget seit der Krabbelgruppe kenne und Hope erst magere dreieinhalb Jahre. Das ist auch einer der Gründe, wieso meine Mutter nicht begreift, dass ein sechzigminütiges Ferngespräch mit Hope in der Woche längst nicht ausreicht. Ein anderer Grund ist, dass meine Mutter absolut nichts von mir weiß.
Wenige Sekunden nach Bridgets abweisender Reaktion auf die Drei-Engel-Frage setzten sich Manda und Sara zu uns. In unserem Schulbezirk ist »Leistungsstufe« ein sehr relativer Begriff, deshalb kenne ich sie auch daher, und zwar über Hope. Manda, Sara und Hope waren nämlich in ihrer Grundschule eine kleine Clique gewesen. Das scheint mirebenso unbegreiflich wie meine Freundschaft mit Bridget damals. Nachdem Hope und ich unsere Seelenverwandtschaft erkannt hatten, tauften wir Bridget, Manda und Sara den »Club der
Weitere Kostenlose Bücher