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Erwin Strittmatter: Die Biographie (German Edition)

Erwin Strittmatter: Die Biographie (German Edition)

Titel: Erwin Strittmatter: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Leo
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»schlechten Figuren, die ihre Liebhaber spielen«, als Resultat der »reuigen Betrachtungen« seines eigenen damaligen Verhaltens entstanden. 4 Vor allem aber schildert Goethe Ereignisse und Zusammenhänge, die nicht direkt oder indirekt in eines seiner Werke eingingen, die aber der Nachwelt überhaupt erst einen Eindruck von seinem Leben vermitteln.
    Erwin Strittmatter ist dem Goethe’schen Beispiel dann doch nicht gefolgt und hat die Rätsel der Verwirrung von Fiktion und Realität in seinem Leben und Werk nicht gelöst. Stattdessen hat er zu den beiden Romanen, die 1967 bereits existierten, einen dritten hinzugefügt, hat abermals Spuren gelegt, Spuren verwischt. Das ist das gute Recht eines Romanschreibers. Doch darüber hinaus scheint es, als habe Strittmatter die einmal geschaffene Symbiose von »Dichtung und Wahrheit« immer noch weiter verfestigen wollen, als habe er selbst zumindest den »Laden« für seine Biographie genommen – oder ausgegeben. Wie wäre es sonst zu erklären, dass der dritte Teil in der ersten Ausgabe auf seinem Umschlag ein Foto der Familie Strittmatter zeigt? In dem kleinen Buch mit dem Titel »Lebenszeit«, das 1987 noch unter seiner Mitwirkung entstand, beglaubigen Zitate aus dem »Wundertäter« und dem »Laden« die Fotos und Daten aus Strittmatters Leben. 5 .
    Das gleiche Herangehen findet sich in der »Biographie in Bildern«, die 2002 von Eva Strittmatter und Günther Drommer herausgegeben wurde. Fotos aus dem Privatarchiv von Erwin Strittmatter, die in Karelien und auf der griechischen Insel Naxos entstanden, werden komplettiert mit Textauszügen aus dem ersten Band des »Wundertäters« und suggerieren so, hier sei von den Kriegserlebnissen des Autors und nicht nur seines Romanhelden Stanislaus Büdner die Rede. Im Lichte unseres heutigen Wissens um Strittmatters Militärvergangenheit scheint das Ineinssetzen von Roman und Leben an dieser Stelle besonders problematisch.
    Der Blick auf Strittmatters Biographie durch die Brille seiner Romane und Erzählungen ist spätestens seit den Enthüllungen über seine Militärzeit ein fragwürdiges Unterfangen geworden. An einem entscheidenden Punkt hat sich die literarische Verdichtung als irreführend erwiesen.
    Erwin Strittmatter wurde im Jahr 1912 geboren. Die meisten Menschen, die ihn als Kind und Jugendlichen kannten, sind inzwischen nicht mehr am Leben. Seine Romane und Erzählungen bleiben deshalb trotz solcher Bedenken für diese frühe Lebensphase wichtige Quellen. Etwa seit Mitte/Ende der vierziger Jahre hat der Schriftsteller, der Funktionär des Schriftstellerverbandes, das SED-Mitglied Strittmatter viele Spuren in den Archiven und Publikationen hinterlassen. Im Bundesarchiv Berlin befindet sich nicht nur seine SED-Kaderakte,sondern dort liegen auch die Unterlagen der ZK-Abteilung Kultur und der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel beim Ministerium für Kultur, die über den jeweiligen Umgang der Macht mit dem Schriftsteller und seinen Werken Auskunft geben. In den Akten des DDR-Landwirtschaftsministeriums ist die Verleihung der Ehrendoktorwürde einer LPG-Hochschule an den Schulabbrecher und Autodidakten überliefert. Im Nachlass des ehemaligen Gewerkschaftsvorsitzenden Herbert Warnke findet sich ein Briefwechsel über die Bestellung eines Kanarienvogels aus Warnkes persönlicher Zucht für die Voliere in Schulzenhof. Das Archiv des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen bewahrt neben Strittmatters IM-Akte auch einen dicken Band mit Auskünften und Mutmaßungen von Spitzeln über den bekannten Schriftsteller auf. Über das politische Wirken Strittmatters innerhalb des Schriftstellerverbandes und der Akademie der Künste gibt das Archiv der Akademie der Künste Aufschluss.
    Eine unschätzbare Quelle für den Alltag, das Leben mit der Familie, den Kontakt mit Freunden und Kollegen sind die Tage bücher. Während aus den dreißiger und vierziger Jahren nur fragmentarische Notizen von einigen Lebensstationen überliefert sind, sind die seit 1954 kontinuierlich geführten Aufzeichnungen erhalten geblieben. Sie geben Aufschluss über seine politischen Reflexionen, seine inneren Konflikte und Wandlungsprozesse bis in die neunziger Jahre. Die Tagebücher enthalten Erlebnisse, Erinnerungen an frühere Lebensphasen, die hier schon stilisiert sind und als Material für die spätere schriftstellerische Arbeit dienten.
    Im Zentrum aller archivalischen Überlieferungen über das Leben von Erwin Strittmatter befindet sich jedoch

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