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Erwin Strittmatter: Die Biographie (German Edition)

Erwin Strittmatter: Die Biographie (German Edition)

Titel: Erwin Strittmatter: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Leo
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habe. »Und der hat doch gar keine Flinte in die Hand genommen. Der war nur Schreiber. Und wenn er das mit ansehen musste – ja, dafür konnte er ja nicht.« Sie seidann aufgestanden und hätte zu ihrem Nachbarn gesagt, hier sei sie das letzte Mal gewesen.
    Lieber als von der Politik, mit der »ihr Erwin«, wie sie noch mal betont, eigentlich nie etwas zu tun gehabt hätte, erzählt Erika Brix über ihre Verbindungen zur Strittmatter-Familie. Mit Erwins Schwester Marga habe sie seinerzeit einen Nähkurs besucht, bis heute stehe sie mit deren Tochter im Kontakt. Wenn sie Marga in Bohsdorf besuchte, habe Erwin sie manchmal mit dem Motorrad wieder mit nach Spremberg genommen. Auch mit Christel Scharlach sei sie befreundet gewesen, sagt Frau Brix. Na, vielleicht nicht wirklich befreundet, denn zwischen ihr und der schönen Rechtsanwaltstochter, die im Roman Ilonka Spadi heißt, gab es eine soziale Distanz. »Die waren ja – vornehm«, sagt Erika Brix ein wenig gedehnt. Christels Vater war der erste Rechtsanwalt am Platze, während ihr Vater nur ein Kriminalbeamter gewesen sei. Auf jeden Fall ging Erika Franke, wie sie damals hieß, gemeinsam mit Christel Scharlach in die Mädchenschule, nur eben eine Klasse tiefer. In diesem Schulgebäude habe sie damals den Erwin kennengelernt, der ja bekanntlich bei den Hausmeisters im Keller wohnte. Weil der Essenraum der Mädchen direkt neben deren Wohnung lag, sei Erwin oft dort vorbeigelaufen. Wegen seiner roten Haare sei er ihr gleich aufgefallen. Und er habe sich so anders als die meisten anderen Jungen verhalten, gar nicht draufgängerisch, eher ruhig und zurückhaltend.
    Als ich Frau Brix schließlich nach der Ohrfeige frage, beharrt sie auf der Authentizität dieser Geschichte. Natürlich, sie war nicht dabei, als es geschah, sie ist ein Jahr jünger als Erwin und ging auf die Mädchenschule. Er habe ihr jedoch seinerzeit davon erzählt, sagt sie, und dann weicht ihre Version doch ein wenig von der im »Laden« beschriebenen Szene ab und macht die Geschichte sofort plausibler. Nach einem Wortwechsel habe demnach der Schüler dem Lehrer dasAufsatzheft wütend vor die Füße geworfen und anschließend verkündet, er werde die Schule nicht mehr betreten. Von seinen schlechten Noten in Mathematik und Latein, von einer Versetzungsgefahr weiß Erika Brix nichts. Davon habe Erwin nichts gesagt. Sie ist überzeugt, dies sei jedenfalls nicht der Grund für seinen vorzeitigen Abgang vom Gymnasium gewesen.
    Ich frage, was aus Christel Scharlach geworden ist. Aber dazu kann Erika Brix nichts sagen. Anders als Christel ist sie damals nicht aufs Gymnasium gewechselt, sondern hat das Lyzeum mit der 10. Klasse abgeschlossen. 1934 habe sie dann den Direktor einer Tuchfabrik geheiratet, den ihre Eltern für sie ausgewählt hätten, und sei zu ihm nach Forst gezogen. Auch später ist sie nicht mehr nach Spremberg zurückgekehrt. Was sollte sie dort, da ihr Vater bald nach ihrer Hochzeit nach Cottbus versetzt wurde. Sie lächelt ein bisschen verschämt und meint, eigentlich habe ihr auch der Erwin damals gut gefallen, wie gesagt, weil er so zurückhaltend gewesen sei. Aber der sei ja wohl mit Christel Scharlach zusammen gewesen, werfe ich ein. Frau Brix wedelt verneinend mit der Hand. »Die sind doch nicht zusammen gewesen. Der Erwin hat die Christel immerzu angeschwärmt, das wohl, aber zusammen – nein..
    Schade, dass sie ihre Unterlagen und Bücher über Strittmatter schon an ihren Enkel gegeben hat. Sonst hätte sie mir jetzt gern Erwins Klassenfoto in der Bild-Biographie gezeigt. Die Jungen darauf könnte sie alle noch mit Namen benennen, sie hat sie ja gekannt. Auch die Geschwister von Erwin kenne sie und deren Kinder.
    Ob ich denn wisse, dass sein ältester Sohn, der Ulf, in Düsseldorf gelebt hat? Ich nicke und sage, die erste Frau von Strittmatter sei doch damals von Ost nach West gegangen. Stammte die nicht aus Saalfeld.
    »Aber nein«, ruft Frau Brix und freut sich offensichtlich, dass sie wieder etwas berichtigen kann. »Die stammte aus Spremberg. Traudchen Kaiser ist doch mit mir zusammen zur Schule gegangen.« Also zur Volksschule, nicht aufs Lyzeum und auch nicht in die gleiche Klasse. Traudchen Kaiser sei ein »angenommenes Kind« gewesen. Sie selbst habe schon in Forst gewohnt, als sie hörte, dass Erwin die Traudchen geheiratet habe. »Das war ein hübsches Mädel«, sagt sie wieder so gedehnt, »aber die war wohl ein bisschen flott.« Deshalb musste er sich ja auch von ihr

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