Erzählungen
Widerrede, keine Bitte, er kennt die Wiener
Hausbesorgerinnen zu gut. Demütig schlüft er wieder in den Regen hinaus.
Alle aber können doch nicht so bös sein, einem armen
Slowakenjungen nicht vergönnen zu wollen, seinem Verdienst nachzugehen
und dabei auch ein wenig ins Trockene zu kommen. Denn draußen gießt es
noch immer wie mit Feuereimern herunter. So zwängt er sich mit seiner
Weißblechlast gleich durch das enge Ziertor des nächsten Hauses. Doch
schon beim Stiegenaufgang hört und sieht er in der halben Dämmerung das
elektrische Licht in den Leuchtbirnen aufspringen, und in seiner nassen
Armseligkeit gehorcht er schweigend dem strengen Befehl eines
schwarzbekappten, blauchgeschürtzen Mannes: "Schau'n S', daß S'
'nauskommen. Hier ist das Hausieren verboten!"
Wie kalt und grausam doch menschliche Worte sein können.
Gleich den eisigen Regentropfen fallen sie in seine Ohren und rinnen
von da bis in sein Herz.
Nun läuft er ein paar Geschäftsläden ab und bietet Arbeit und
Waren an. Nirgends bekommen seine Hände das Geringste zu tun. Niemand
benötigt eine Mausefalle oder ein Sieb. Nur ungute, verdrießliche Worte
flattern träge oder springen zornig den armen braunen Kerl an, wenn er
sein schüchternes Angebot tut: "Herferl, Reindl, Pfanneflicker ise do!
Bitt' schön, Panni kaafen S' schöne Nudelsieb!"
Auch in ein paar Häuser wagte er sich wieder hinein. In einem
kommt er bis in den dritten Stock, ohne hinausgejagt zu werden,
freilich auch ohne ein einzigesmal seinen Lötkolben gebrauchen zu
können. Und in einem anderen Hause darf er sogar eine Viertelstunde
lang auf der Kellerstufe sitzen, weil die Frau Hausbesorgerin nachsehen
will, ob "der gnä Herr Hausherr nix zum Flick'n hat in seiner Kuchel".
Sie kommt mit leeren Händen zurück und vertröstet ihn auf die nächste
Woche: "Zwa Reindln müass'n da sein mit Trümmer Löcher, aber i hab'
heut' ka Zeit zum Suach'n, i muaß in d' Waschkuchel! Servas,
Rastelbinder!"
Der Tag regnet sich eilig in einen trüben Abend. Die
brennenden Lampen in den Wohnungen verkünden huschelige Wärme, trockene
Sicherheit. Franticek vermeint die Wassersucht zu haben. Seit Stunden
hat er kein trockenes Fleckchen mehr am Leibe. So muß es dem alten
Pfarrer seines Dorfes zumute gewesen sein, von dem ihm die Mutter
erzählte, daß ihm das Wasser aus Bauch und Füßen gelaufen sei, bis ihm
der Tod erlöste.
Die Last auf Franticeks Rücken wird immer schwerer, sein Magen
dagegen immer leichter. Im leeren Brotsack ist kein Krümchen mehr
herauszukratzen. Manchmal hat er das dumme Gefühl, als käme der arme,
leere Magen aus seinem Munde geflogen und bedanke sich schönstens
dafür, in dem Bauche eines hungrigen Kesselflickers Gast zu sein. Er
klemmt Zähne und Lippen fest zusammen, aber da bekommt er
seltsamerweise keine Luft und ihn seinem Rücken fängt es erbärmlich zu
stechen an.
Und was ist das?
Auf seinem eiskalten Körper sitzt plötzlich eine glühendheiße
Kugel. Er greift erschreckt danach. Mein Gott, das ist ja sein Kopf!
Unter der wasserdurchtränkten Hutkrempe brennt es ihn wie Feuer. Eine
große, wilde Angst packt sein Bubenherz. Es gibt ja Geister,
schrecklich böse Geister, und er ist so weit von Heimat und Mutter
fort. Vor ihm zucken hinter dem grauen Regengewebe der Luft die grellen
Lichter einer großen Geschäftsauslage mit breit vorsprigendem Gesims.
Vier – fünf Minunten will er hier seine Hucke niederstellen, deren Last
ihm Löcher in den Rücken drückt, in denen es schmerzhaft tockt, als
wären es eiternde Wunden. Diese Schmerz geht durch seinen ganzen
Körper, und wenn er atmet, ist es ihm, als zöge jemand einen glühenden
Draht aus seiner Brust – ganz, ganz langsam.
Mit zittrigen Händen hält er sich an dem glitschigen Rand des
Gesimses fest und entledigt sich seiner Hucke. Ach, ist das gut! Die
Beine schwanken ihm aber unter dem Leibe. Er glaubt auf einem
schaukelnden Brett zu stehen, von dem er auf einmal in ein großes Loch
voll glühender Holzkohle rutschen wird. Jetzt berstet hinter ihm die
mächtige Auslagescheibe, die Glassplitter zerreißen ihm seine kostbare
Weste und bohren sich ihm ins Gehirn.– Gewaltsam rüttelt er sich auf.
Einen heißen Dank der Gottesmutter von Maria Elend. Das Fenster hinter
ihm ist noch ganz. Er hat sonderbarerweise mitten auf der Straße
geträumt. –
Aber jetzt saust er wirklich das schiefe Brett hinab und in
eine riesige Mausefalle
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