Erzählungen
versöhnlich über die Aufgeregtheit und den blinden Spieleifer Grubers,
während er selbst die personifizierte Gleichgültigkeit vorstellte. Kein
noch so unerwarteter Zufall konnte ihn in seiner ruhigen
Beschaulichkeit stören, und er sah mit dem gleichen geduldigen Ausdruck
des Zuwartens und der Selbstverständlichkeit in den frischen,
wasserblauen Augen auf die sumpfgrüne, abgegriffene Fläche des breiten
Spieltisches nieder, mit dem er gewohnt war, stundenlang in das von ihm
regulierte Kesselfeuer zu schauen. Die schöne Freundschaft zwischen den
beiden an Körper und Seele so ungleichen Menschen bekam mit der Zeit
einen solchen Grad der Innigkeit und des Bewußtseins, eine Einigkeit
vorzustellen, daß Scheiblechner, als er anfing, einem Mädchen aus der
Nachbarschaft den Hof zu machen, vorerst den Gruber ganz ernsthaft
fragte, ob er mit diesem Verhältnis einverstanden sei und dazu raten
könne, und erst nach dessen Zustimmung es wagte, der Weghuber Annerl
seine Liebe und ernsten Eheabsichten zu erklären.
Als der bisherige Schlafgenosse des Transmissionenaufsehers
auf längere Zeit zu seinem Regiment als Soldat einrükken mußte, gab der
Maschinenwärter sofort seine hübsche Wohnkammer auf, deren breites
Fenster auf licht- und luftreiche Felder lugte. Er mußte zu seinem
einsam gewordenen Freund ziehen, der in einer halbdunkeln Stube hauste,
die dieser mit seinem minderen Gehalt allein schwer bezahlen konnte.
Und Scheiblechner opferte mit Freuden seiner Freundschaft die
bisherigen Schätze seines Proletendaseins:
Licht und werkstättenfremde, reine Luft. Nur in einem waren
die Freunde nicht eines Sinnes, behauptete, jeder starr und steif seine
eigene Meinung. Es war dies ihr Verhältnis zu der Maschine, die sie
beide zu bedienen hatten. Der eine ihren ganzen vielgliedrigen Leib,
der andere ihre gewaltigen Füße und Hände, mit der sie ihre ungeheure
Kraft in die entlegensten Räume und Winkel der Fabrik schleuderte.
Der Maschinenwärter liebte das ihm anvertraute Werk über
alles, war stets, auch in seiner freien Zeit, voll Sorge um die
riesigen Räder, den mächtigen Kesselbauch, die wunderbaren Schrauben,
schmirgelte, polierte die Manometer, Kolben, Griffe, daß sie wie
zierliche Sönnchen, Monde und Sternschwänzchen aufleuchteten; und
immer, auch bei der schwersten Arbeit, hing sein Blick voll Stolz und
Liebe an dem ungeheuren Körper des Ungetüms aus Stahl und Kupfer, das
da glühend, brausend, stampfend, zischend, heulend Hunterten
Arbeitsmuskeln tausendfache Kraft und Stärke. Ungebeugtheit vor dem
Werke in den Stunden der Arbeit gab.
Gerade das Gegenteil fühlte der Transmissionenaufseher Gruber.
Haß und oftmals eine unaussprechliche grauenhafte Furcht setzte er
gegen die Liebe und das Vertrauen seines Freundes zur Maschine ein.
Nur mit Widerwillen ging er zur Frühe jedes Tages von neuem an
seine verfluchte Arbeit. Unausgesetzt war er voll des ärgsten
Mißtrauens, das ein Schwächerer gegen eine Ihm feindlich gesinnte Macht
empfindet. Umrauschte ihn das ölige Schleifen der Riemen über die
glänzenden Holz-und Stahlwellen, hielt er sich immer zur Flucht vor
einem plötzlichen Überfall bereit.
Wie ein Tierbändiger unter unzuverlässigen, nur mit glühender
Eisenstange niederzuhaltenden Bestien kam er sich vor, solange er
seinem Dienst nachgehen, Antrieb, Übertragungen, Riemenregulatoren nach
ihrer Haltbarkeit prüfen, ihre geheimen Leiden und Wunden suchen und
einölen mußte.
Er wurde erst wieder ein Mensch, der sich seines Daseins
freuen konnte, wenn die Dampfsirene Feierabend verkündete und die
sausenden Räder und Riemen, erschlagenen Tigern gleich, mit einem
ersterbenden Fauchen in der Dämmerung der Säle schlaff hinsanken und
stumm wurden. Aber ist in Schlaf und Träume hinein verfolgten ihn die
fettigen Polypenarme der stählernen Ungeheuer in der fernen Fabrik. Zu Beginn ihrer Freundschaft hatte es Gruber einigemal versucht, seinem
Freund die Menschenfeindschaft der Maschinen zu erklären und in dessen
Herzen den gleichen Haß gegen diese Erfindungen böser Geister und
Teufel großzuziehen, der in ihm sein arges Wesen trieb. Aber seine
plumpen Beschimpfungen und übertriebenen Vorwürfe hatten bei dem sonst
so gutmütigen Maschinenwärter jedesmal Wutausbrüche zur Folge gehabt,
und tagelang nachher war er noch voll Entrüstung gewesen über seines
Freundes schandbares Benehmen gegen die über alles geliebten
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