Erzählungen
Fuß Dich wiegt?
In welchem Feentanz?
An welchem fernen Strand?
Weh über jene Höllenstunde, Da Dich die Woge mir entführt, Der Lieb’ entführt zu Würden und Verbrechen, Entführt auf ein unheilig Pfühl, Ach! mir entführt und unserm Nebellande, In dem die Silberwelle um Dich weint.
Daß diese Verse in englischer Sprache geschrieben waren, überraschte mich nicht. Ich kannte die ausgedehnten Kenntnisse meines Freundes zu gut und auch seine sonderbare Neigung, dieselben so viel wie möglich zu verbergen. Aber der Ort des Datums setzte mich doch in Erstaunen. Das Gedicht war in London verfaßt worden, später hatte man ein anderes Wort über den Namen geschrieben, jedoch nicht so, daß ein forschendes Auge den ersten nicht mehr hätte lesen können. Ich sage, daß mich dies alles in Erstaunen setzte, denn ich erinnerte mich wohl, daß ich in einer früheren Unterhaltung meinen Freund einmal gefragt hatte, ob er nicht in London mit der Marchesa di Mentoni, die dort einige Jahre vor ihrer Verheiratung lebte, zusammengetroffen sei. Damals gab er mir eine Antwort, aus der ich entnehmen mußte, daß er die Hauptstadt Großbritanniens nie besucht habe. Ich kann hier noch erwähnen, daß ich sehr oft gehört hatte (natürlich ohne einem so unwahrscheinlichen Gerücht Glauben zu schenken), der Mann, von dem ich spreche, sei nicht nur von Geburt, sondern auch durch seine ganze Erziehung ein Engländer .
»Hier ist noch ein Bild«, sagte er ohne zu bemerken, daß ich in der Tragödie blätterte, »das Sie noch nicht gesehen haben.« Er zog einen Vorhang beiseite und enthüllte ein Bild der Marchesa Aphrodite. Noch nie war es irdischer Kunst gelungen, überirdische Schönheit gleich vollkommen nachzubilden. Wieder stand ihre ätherische Gestalt, genau wie in der vorhergehenden Nacht auf den Stufen des Dogenpalastes, vor mir. Doch in dem Ausdruck ihrer Züge, die über und über im Lächeln strahlten, lauerte schon (unbegreiflicher Widerspruch!) jener verhängnisvolle Schatten von Traurigkeit, der von der vollkommenen Schönheit nun einmal unzertrennlich ist. Der rechte Arm deckte halb ihren Busen. Mit der Linken deutete sie auf eine sonderbar geformte Vase nieder. Ihr kleiner Feenfuß berührte nackt den Boden, und in der leuchtenden Luft, die ihre ganze Lieblichkeit einrahmte, dehnten sich, kaum wahrnehmbar zwei hauchzarte Flügel. Mein Blick fiel von dem Bilde auf die Gestalt meines Freundes, und die kraftvollen Worte des Bussy D’Ambois kamen mir unwillkürlich auf die Lippen:
Dem Steinbild eines Römers gleich, Ragt er bewegungslos hier aus der Erden; Und führt der Tod ihn in sein dunkles Reich, Wird er erstarrend langsam Marmor werden.
»Kommen Sie«, sagte er endlich und führte mich zu einem reich emaillierten, massiv silbernen Tische, auf dem phantastisch gearbeitete Becher und zwei etruskische Vasen standen, die nach dem sonderbaren Modell im Vordergrund des Porträts angefertigt zu sein schienen und mit Johannisberger gefüllt waren. »Kommen Sie«, sagte er, »wir wollen trinken; es ist zwar früh , doch wir wollen trinken. – Es ist wirklich früh «, fuhr er plötzlich, wie in tiefen Gedanken, fort, als eine Uhr im Gemache die erste Stunde nach Sonnenaufgang schlug, »es ist wirklich früh – aber was tut’s? Wir wollen trinken, wir wollen der feierlichen Sonne, die diese prunkvollen Lampen und Weihrauchschalen vergebens verdunkeln möchte, ein Opfer bringen.« Und er trank mir aus einem der Riesenkelche zu und stürzte dann in rascher Folge noch mehrere Becher Weins hinunter.
»Träumen«, sagte er und nahm den zerstreuten, flüchtigen Ton seiner Unterhaltung wieder auf, »Träumen war das Tun meines Lebens. Ich habe mir deshalb dieses Haus hergerichtet. Könnte ich hier im Herzen Venedigs ein besseres haben? Sie sehen allerdings einen Mischmasch der verschiedensten Bilder der Schönheit. Antidiluvianische Sprüche beleidigen die Keuschheit der Jonia, und ägyptische Sphinxe strecken sich auf golddurchwirkten Teppichen aus, und doch ist die Wirkung nur für den Furchtsamen unharmonisch. Eigentümlichkeiten des Ortes und besonders der Zeit sind der Popanz, welcher der Menschheit die Betrachtung des Erhabenen verleidet. Wie jene arabeskengezierten Weihrauchschalen windet sich mein Geist in Feuern, und das Delirium dieses Daseins macht mich reif für die wilderen Visionen im Lande jener wirklichen Träume, in das ich nun schnell enteile.« Hier schwieg er plötzlich, neigte sein Haupt und schien auf
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