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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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der, an das verruchte Ufer zurückzukehren. Kaum jedoch hatte er das Boot seiner grausigen Bürde entledigt, so ruderte er schnell nach der Stadt zurück wo er an irgendeiner einsamen Landungsstelle ohne Gefahr ans Land springen durfte. Aber konnte er das Boot noch anbinden? Er hatte nicht Zeit genug, an solche Nebensächlichkeiten zu denken. Auch war die Gefahr zu groß, während des Festbindens am Anlegeplatze gesehen zu werden. Das Boot konnte ihn leicht verraten, er mußte es mit allem, was zu dem Verbrechen in Beziehung stand, auf das schnellste und möglichst weit von sich entfernen. Er mußte nicht nur selbst sofort von der Landungsstelle fliehen, auch das Boot durfte dort nicht bleiben. Das einfachste und sicherste war, es der Strömung zu überlassen.
    Denken wir uns nun weiter in die Lage des Mörders hinein. Am folgenden Morgen bemerkt der Elende mit unsäglichem Entsetzen, daß das Boot aufgefangen wurde und an dem Orte aufbewahrt wird, den sein Beruf ihn häufig zu besuchen zwingt. In der folgenden Nacht schafft er das Boot weg, ohne zu wagen, das Ruder zurückzuverlangen.
    Wo befindet sich jetzt dies Boot, das seines Ruders beraubt ist?
    Bei dieser Frage muß unsere Tätigkeit einsetzen! Blinkt in dieser Nachforschung ein Schimmer von Erfolg auf, so werden wir bald das ganze Geheimnis aufhellen können. Das Boot wird uns mit einer Schnelligkeit, über die wir selbst erstaunen werden, zu dem Manne führen, der es in jener verhängnisvollen Sonntagnacht benutzt hat.
    Die Bestätigungen unserer Annahmen werden sich häufen und uns in Kürze den Mörder zeigen.«

    Anmerkung des Herausgebers der Zeitung, in der die vorstehende Erzählung Das Geheimnis der Marie Rogêt zuerst erschien:
    ›Aus Gründen, die ich hier nicht auseinandersetzen will, die aber viele meiner Leser erraten werden, habe ich es für angemessen erachtet, den Teil des in meine Hand gelangten Manuskriptes nicht mitzuteilen, der die Untersuchung betrifft, die mit Hilfe der von Dupin entdeckten, anscheinend so unbedeutenden Anzeichen alsbald begonnen wurde und das gewünschte Resultat erzielte. Es bleibt mir nur noch zu bemerken übrig, daß der Präfekt pünktlich, wenn auch mit einem gewissen Widerstreben, die Bedingungen des Kontraktes erfüllte, den er mit Dupin eingegangen war. Das Manuskript des Herrn Poe schließt mit folgender allgemeinen Betrachtung‹:
    Es ist wohl unnötig, ausdrücklich zu bemerken, daß ich von bloßem Zusammentreffen und von nichts weiter rede. Was ich gesagt habe, muß genügen. Ich selbst glaube nicht im geringsten an übernatürliche Dinge. Daß die Natur und Gott zwei sind, wird kein denkender Mensch ableugnen, und daß Gott die Natur nach ihrer Erschaffung gemäß seinem Willen leiten, regieren und ändern kann, ist ebenfalls unbestreitbar. Denn es handelt sich hier um eine Willens- und nicht um eine Machtfrage, wie eine absurde Logik angenommen hat.
    Nicht, daß die Gottheit ihre Gesetze nicht ändern könnte, aber wir beleidigen sie, wenn wir die Möglichkeit annehmen, daß jemals die Notwendigkeit einer solchen Veränderung an sie herantreten würde.
    Die Gesetze sind von ihrem Ursprung an so gemacht, daß sie alle Zufälligkeiten, die in der Zukunft beschlossen liegen könnten, in sich fassen. Denn für Gott ist alles gegenwärtig.
    Ich wiederhole also, daß ich diese Dinge für nichts weiter als für ›bloß zusammengetroffen‹ halte. Aus meiner Erzählung wird man ersehen haben, daß zwischen dem Schicksal der unglücklichen Mary Cecilia Rogers, soweit dieses bekannt wurde, und der Geschichte einer gewissen Marie Rogêt, soweit man Näheres über sie weiß, eine Parallele besteht, deren absolute Übereinstimmung den Verstand in Verwirrung bringen könnte. Ich bin sicher, daß jedermann darüber staunen muß. Man vermute jedoch nicht, daß ich bei meinem Bemühen, die Geschichte der Marie Rogêt von dem letztbekannten Punkte bis zur Aufklärung des Geheimnisses zu verfolgen, die Absicht gehabt habe, die Parallele noch weiter zu führen und anzudeuten, daß die in Paris angewandten Maßregeln, den Mörder eines Mädchens zu entdecken, oder überhaupt irgendwelche auf dem gleichen logischen Vorgehen begründete Maßregeln auch stets ein gleiches Resultat herbeiführen würden.
    Denn bezüglich des letzten Teiles einer solchen Vermutung muß man bedenken, daß die kleinste Abweichung in den Grundtatsachen dieser beiden Fälle zu den schlimmsten Irrtümern in der Berechnung Anlaß geben könnte, indem

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