Erzählungen
und ich habe noch nicht der Gelegenheit gefunden, es zu lernen.
Mit diese Entschuldigung für meine manière kann ich es nicht verleugnen das hélas! Herr Simpson Recht haben. Muß ich noch mehr sagen? Hélas! habe ich nicht schon zu viel gesagen?
Augénie Lalande ‹
Diesen unvergleichlichen Brief küßte ich wohl millionenmal und beging seinetwegen noch unzählige andere Extravaganzen, deren ich mich nicht mehr genau entsinne. Aber Talbot wollte noch immer nicht zurückkehren. Ach, wenn er nur eine blasse Ahnung davon gehabt hätte, welch unbeschreibliche Leiden mir seine Abwesenheit bereitete, hätte sein mitfühlendes Herz ihn sicher gleich zu seinem bedauernswerten Freunde zurückgetrieben. Und doch kam er nicht.
Ich schrieb. Er antwortete, er sei durch dringende Geschäfte noch zurückgehalten, er würde aber in kürzester Zeit wiederkehren. Er bat mich, nicht ungeduldig zu sein, meine Gefühle zu mäßigen, besänftigende Bücher zu lesen, nichts Stärkeres als Bier zu trinken und mich mit Philosophie zu trösten. Der Narr! Wenn er selbst nicht kommen konnte, weshalb in Teufels Namen legte er mir nicht einfach einen Empfehlungsbrief bei? Ich schrieb noch einmal und bat ihn, mich doch mit einem solchen Schreiben zu versehen. Mein Brief wurde von dem Diener mit folgender Bemerkung in Bleistift zurückgesandt (der Lump war seinem Herrn aufs Land gefolgt):
›Verließ das Gut gestern; jetziger Aufenthaltsort unbekannt, ebenso wann er zurück sein wird. Halte es für das beste, Ihren Brief zurückzuschicken, da ich Ihre Handschrift kenne. In Eile!
Ihr aufrichtiger
Stubbs ‹
Ich wünschte sowohl Herrn wie Diener in die Hölle; aber meine Wut war nutzlos, und meine Klagen brachten mir keinen Trost.
Doch mein erfinderischer Geist wies mir noch einen, allerdings sehr gewagten Ausweg. Meine Kühnheit hatte mir bisher noch immer genützt; sie sollte mir auch im letzten, entscheidenden Moment zur Seite stehen. Außerdem: welchen Verstoß gegen die gesellschaftliche Form hätte sie mir noch übelnehmen können, nachdem dieser Briefwechsel zwischen uns stattgefunden hatte? Ich hatte in der letzten Zeit Madame Lalandes Haus fortwährend belagert und bemerkt, daß sie in der Dämmerung gewöhnlich in dem naheliegenden Park einen Spaziergang unternahm, bei dem sie nur ein schwarzer Diener begleitete. Hier, inmitten der üppigen, schattigen Büsche, in dem dunklen Leuchten eines Sommerabends, nahm ich die Gelegenheit wahr und sprach sie an.
Um den Diener zu täuschen, ging ich mit der Miene eines guten alten Bekannten auf sie zu, und sie besaß die echt pariserische Geistesgegenwart, mich ganz unbefangen zu begrüßen, indem sie mir ihre entzückende kleine Hand reichte. Der Diener zog sich sofort zurück; und nun sprachen wir lange, ließen unseren überströmenden Herzen freien Lauf und versicherten uns gegenseitig unserer Liebe.
Da Madame Lalande noch weniger englisch sprach als schrieb, wurde unsere Unterhaltung natürlich in Französisch geführt. In dieser wunderbaren Sprache, die für die Leidenschaft besonders geeignet ist, gab ich meinem ungestümen Enthusiasmus beredten Ausdruck, und mit aller Überredungskunst suchte ich sie zu einer sofortigen Heirat zu bewegen. Sie lächelte über meine Ungeduld. Sie kam mit den bekannten Redensarten von den Forderungen des Anstandes – diesem Popanz, der schon so manchen hinderte, das Glück zu ergreifen, bis es zu spät war. Sie machte die Einwendung, daß ich unklugerweise schon zu mehreren meiner Freunde den Wunsch geäußert hätte, ihre Bekanntschaft zu machen, so daß man es nicht verheimlichen könne, auf welche Art und Weise wir uns nun kennengelernt hätten. Und dann bemerkte sie unter Erröten, daß unsere Beziehungen doch noch zu neu wären; daß eine sofortige Trauung unpassend und extravagant erscheinen möchte. Dies alles sagte sie mit einer ganz entzückenden Naivität, welche mich schmerzte und doch überzeugte. Ja, sie klagte mich sogar unter Lachen der Übereilung und der Unklugheit an. Sie erinnerte mich daran, daß ich doch eigentlich kaum wüßte, wer sie sei, welche Verbindungen, welche gesellschaftliche Stellung sie habe. Sie bat mich mit einem Seufzer, meinen Antrag wohl zu überlegen, und nannte meine Liebe eine Laune, eine Phantasie, eine Verblendung, eine grundlose und unbeständige Empfindung, die mehr meiner Einbildung als meinem Herzen entstamme. All diese Vernunftgründe brachte sie vor, während die weichen Schatten der Dämmerung
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