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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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Wesen zur Nahrung zu dienen. Aber ohne die Notwendigkeit des unvollkommenen Lebens, das dem endgültigen Leben vorausgeht, würden keine solchen Welten existieren. Jede dieser Welten wird von einer unterschiedenen Art organischer, unvollkommener, denkender Wesen bewohnt. Bei allen entsprechen die Organe dem allgemeinen Charakter ihrer Wohnstätte. Nach dem Tode oder der Metamorphose gelangen auch diese Wesen zu dem endgültigen Leben, zur Unsterblichkeit, und erkennen alle Geheimnisse, nur nicht das Eine , vollbringen all ihre Handlungen und bewegen sich überallhin durch ihre bloße Willenstätigkeit; sie bewohnen nicht die Sterne, die wir für die einzig greifbaren Welten halten und für deren Lauf allein wir uns beschränkterweise den Raum geschaffen denken, sondern den Raum  selbst : jene Unendlichkeit wirklicher Stofflichkeit, die die Sterne wie Schatten verschlingt und den Augen der Engel als Nicht-Wesenheiten erscheinen läßt.
    P. Sie sagten, daß ohne die Notwendigkeit des unentwickelten Lebens Gestirne nicht erschaffen worden wären! Doch woher diese Notwendigkeit?
    V. Im unorganischen Leben sowohl wie in der unorganischen Materie gibt es nichts, was die Handlungen des einen einfachen großen Gesetzes: des göttlichen Willens, aufhalten könnte. Das organische Leben und die organische Materie, diese zusammengesetzten, stofflichen, durch ein aus vielen Teilen bestehendes Gesetz beherrschten Dinge sind zu dem Zwecke ersonnen worden, ein Hindernis zu schaffen.
    P. Aber weiter – woher die Notwendigkeit, ein Hindernis zu schaffen?
    V. Das Resultat des unverletzten Gesetzes ist Vollkommenheit – Recht – negatives Glück. Das Resultat eines verletzten Gesetzes ist Unvollkommenheit, Unrecht, positiver Schmerz. Kraft der Hindernisse, welche die Zahl, Zusammensetzung und Körperlichkeit der Gesetze des organischen Lebens und der Materie bilden, ist die Verletzung des Gesetzes in gewissem Maße möglich. So also ist der Schmerz, der im unorganischen Leben unmöglich ist, im organischen möglich.
    P. Zu welchem vernünftigen Zweck ist die Möglichkeit des Schmerzes erschaffen worden?
    V. Alle Dinge sind nur durch Vergleich gut oder schlecht. Eine genügende Analyse wird zeigen, daß in allen Fällen der Genuß nur der Kontrast des Schmerzes ist. Positiver Genuß ist eine bloße Idee. Um bis zu einem gewissen Punkte glücklich sein zu können, müssen wir bis zu demselben Punkte gelitten haben. Niemals leiden, heißt, niemals glücklich sein. Doch habe ich gezeigt, daß es im unorganischen Leben keinen Schmerz gibt. So stellte sich also die Notwendigkeit des Schmerzes im organischen Leben heraus. Der Schmerz in unserem unentwickelten Dasein auf der Erde ist die einzige Grundlage und Bürgschaft für das Glück im ewigen Leben, im Himmel.
    P. Sie gebrauchten noch einen Ausdruck, den ich nicht verstehen kann – ›jene Unendlichkeit wirklicher Stofflichkeit‹?
    V. Das mag daher kommen, daß Sie keine genügend ›gegnerische‹ Auffassung von dem Ausdruck ›Stofflichkeit‹ haben. Wir müssen sie nicht als eine Eigenschaft, sondern als eine Empfindung hinstellen; es ist die Wahrnehmung denkender Wesen der ihren Organen entsprechenden Materie. Es gibt auf Erden viele Dinge, die den Bewohnern der Venus ins Nichts entschwinden würden, und viele sichtbare und greifbare Dinge auf der Venus, deren Dasein wir nicht wahrnehmen können. Für die unorganischen Wesen ist die ganze unpartikulierte Materie Stoff, d. h. : die Ganzheit dessen, was wir Raum nennen, ist für sie die wirklichste Stofflichkeit; – die Gestirne jedoch entgehen, insoweit wir sie für die Materie halten, dem Wahrnehmungsvermögen der Engel im gleichen Maße, wie die uns unstofflich erscheinende unpartikulierte Materie den Organen.
    Da der Schlafwache diese letzten Worte mit sehr schwacher Stimme ausgesprochen, blickte ich ihn genauer an und bemerkte in seinen Zügen einen Ausdruck, der mich ein wenig beunruhigte und mich veranlaßte, ihn sofort zu wecken. Kaum hatte ich es getan, so sank er auf seine Kissen zurück und hauchte mit einem strahlenden Lächeln, das alle seine Züge erhellte, seinen Geist aus. Ich fand eine Minute später, daß sein Körper starr wie ein Stein war und seine Stirn kalt wie Eis – so wie sie erst wird, wenn die Hand Azraels sie schon lange berührt hat.
    Hatte mir der Schlafwache seine letzten Mitteilungen schon aus dem Schattenreiche gemacht?

DIE LÄNGLICHE KISTE
    The Oblong Box ()

    Als ich vor einigen

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