Erzählungen
wenn die Atome in genügender Anzahl vorhanden sind, die Zwischenräume verschwinden würden und die Masse eine absolute Einheit werden müßte.
Doch wenn wir einmal von der atomischen Zusammensetzung absehen, so entschwindet uns die Natur dieser Masse unaufhaltsam in das Gebiet dessen, was wir Geist nennen. Und dennoch ist es klar, daß sie ebenso gewiß wie früher Materie geblieben ist. Denn wir können uns unmöglich Geist vorstellen, da wir uns das, was nicht ist, nicht denken können. Wenn wir uns schmeicheln, zu seiner Erkenntnis gekommen zu sein, so täuschen wir nur unseren Verstand, der bloß eine unendlich verdünnte Materie erfaßt hat.
P. Es scheint mir, daß man gegen diese Idee einer absoluten Kohäsion einen unwiderleglichen Einwurf machen kann; ich denke an den sehr schwachen Widerstand, den die Himmelskörper bei ihrem Umlauf durch den Raum zu erleiden haben – einen Widerstand, der, wie heute erwiesen ist, in gewissem, jedoch so geringem Maße besteht, daß er selbst dem Scharfsinne Newtons entgangen ist. Wir wissen, daß die Heftigkeit des Widerstandes der Körper im Verhältnis zu ihrer Dichtigkeit steht. Die absolute Kohäsion ist die absolute Dichtigkeit; wo keine Zwischenräume sind, kann kein Durchgang sein. Ein absolut dichter Äther würde dem Laufe eines Planeten ein unendlich wirksameres Hindernis entgegensetzen als ein Äther von Diamant oder Eisen.
V. Ihr Einwurf läßt sich gerade so leicht widerlegen, wie er unwiderleglich erscheint. – Was den Lauf eines Sternes angeht – nun, so macht es gar keinen Unterschied, ob der Stern durch den Äther geht oder der Äther durch den Stern. Es gibt keinen unerklärlicheren Irrtum als die Ansicht der Astronomen, welche die bekannten Verspätungen der Kometen ihrem Laufe durch den Äther zuschreiben:
denn wie verdünnt man sich den Äther auch denken mag, er würde dem Umlauf der Gestirne in einer viel kürzeren Zeit ein Ende machen, als die Astronomen, die mit Leichtigkeit über einen Punkt hinweggingen, den sie nicht verstanden, angenommen haben. Die wirkliche Verspätung kommt überdies fast derjenigen gleich, die von der Reibung des Äthers während seines unaufhörlichen Durchgangs durch das Gestirn zu erwarten ist. Die Kraft des Widerstandes ist also eine doppelte: eine momentane, in sich selbst ruhende und eine endlos wachsende.
P. Doch liegt in all diesem – in dieser Identifizierung der reinen Materie mit Gott – nicht etwas Unehrerbietiges? (Ich mußte diese Frage wiederholen, ehe der Schlafwache ihren Sinn verstehen konnte.)
V. Können Sie mir etwa sagen, weshalb die Materie weniger ehrwürdig ist als der Geist? Sie vergessen, daß die Materie, von der ich spreche, in jeder Hinsicht und in Anbetracht ihrer hohen Eigenschaften die wahre ›Intelligenz‹ und der ›Geist‹ der Schulen und zu gleicher Zeit das, was sie ›Materie‹ nennen, ist. Gott, mit all den dem Geiste zugeschriebenen Kräften, ist nichts als die Vollkommenheit der Materie!
P. Sie behaupten also, daß die in Bewegung gesetzte, unpartikulierte Materie der Gedanke ist?
V. Im allgemeinen ist diese Bewegung der universelle Gedanke des universellen Geistes. Dieser Gedanke schafft. Alle erschaffenen Dinge sind nur die Gedanken Gottes.
P. Sie sagen: im allgemeinen …
V. Ja, der universelle Geist ist Gott, für neue Individualitäten ist Materie nötig.
P. Aber Sie sprechen jetzt von ›Geist‹ und ›Materie‹ ganz so, wie es die Metaphysiker tun.
V. Ja, der Klarheit halber. Wenn ich Geist sage, so verstehe ich darunter die unpartikulierte oder äußerste Materie, unter dem Namen ›Materie‹ dagegen alles andere.
P. Sie sagten: Für neue Individualitäten ist Materie notwendig?!
V. Ja, denn der Geist, der unverkörpert existiert, ist Gott. Um individuelle, denkende Wesen zu schaffen, war es nötig, Teile des göttlichen Geistes zu verkörpern. So wurde der Mensch individualisiert.
Der körperlichen Einkleidung entblößt, würde er Gott sein. Die hauptsächliche Bewegung der verkörperten Partien der unpartikulierten Materie ist der Gedanke des Menschen, wie die Bewegung des Ganzen der Gedanke Gottes ist.
P. Sie sagen, daß der der körperlichen Einkleidung entblößte Mensch Gott sein würde?
V. (nach einigem Zögern) Das kann ich nicht gesagt haben, denn es wäre eine Absurdität.
P. (sieht in seinen Aufzeichnungen nach) Sie haben behauptet, daß der Mensch, seiner körperlichen Einkleidung entblößt, Gott sein würde!
V. Und das ist wahr.
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