Erzählungen
an diesem Orte sind weit weniger prächtig als die Gräber zu Theben, doch sind sie für den Forscher von viel größerem Interesse, da sie mit zahlreichen Abbildungen aus dem häuslichen Leben der Ägypter ausgeschmückt sind. Die Kammer, der man unsere Mumie entnommen, war, wie man sagte, außerordentlich reich an solchen Bildern, ihre Wände waren über und über mit Fresko-Gemälden und Bas-Reliefs bedeckt, und zahllose Statuen, Vasen und prachtvolle Mosaikarbeiten ließen darauf schließen, daß der dort Begrabene ungeheuer reich gewesen sei.
Man hatte den Fund genau in demselben Zustande, in welchem Kapitän Sabretasch ihn entdeckt, im Museum aufgestellt; der Sarg war nicht einmal geöffnet worden, sondern während der acht Jahre, die er sich im Museum befunden, nur von außen zu besichtigen gewesen. Die Mumie war also in gänzlich unberührtem Zustande, und alle, die wissen, wie selten ein solches Altertum undurchstöbert zu uns nach Amerika kommt, können sich vorstellen, wie glücklich wir darüber waren, an diesem seltenen Objekt unsere Studien machen zu dürfen.
Als ich mich dem Tische näherte, bemerkte ich zuerst nur eine große Schachtel oder vielmehr eine Kiste von sieben Fuß Länge, ungefähr drei Fuß Breite und etwa zwei-und-einhalb Fuß Tiefe. Sie war länglich, erinnerte jedoch nicht an einen Sarg. Wir hielten das Material anfänglich für Sykomoren-Holz, als wir jedoch hineinschneiden wollten, fanden wir, daß es Pappdeckel, oder besser: ein aus Papyrus hergestelltes Papiermaché war. Er war reichlich mit Abbildungen verziert, die Leichenbegängnisse und dergleichen vorstellten und hier und da durch Reihen hieroglyphischer Zeichen unterbrochen wurden, die offenbar den Namen des Verstorbenen andeuteten. Glücklicherweise war auch Herr Gliddon, der Ägyptologe, zugegen: er entzifferte die Zeichen, einfache Lauthieroglyphen, ohne Schwierigkeit. Sie bedeuteten den Namen Allamistakeo.
Es kostete uns einige Mühe, den Kasten zu öffnen, ohne ihn zu beschädigen. Als es uns endlich gelungen war, stießen wir auf einen zweiten, sargartig geformten Kasten, der an Umfang viel geringer, sonst jedoch dem ersten in jeder Beziehung ähnlich war. Der Zwischenraum zwischen den beiden war mit Harz ausgefüllt, wodurch die Farben des inneren Behälters ein wenig gelitten hatten.
Den zweiten Kasten öffneten wir mit Leichtigkeit und gelangten an einen dritten aus Zedernholz, der noch den dieser Holzart eigentümlichen würzigen Wohlgeruch ausströmte. Zwischen dem zweiten und dritten Kasten befand sich kein Zwischenraum, da der eine genau in den anderen hineinpaßte.
Als wir den Deckel des dritten Kastens öffneten, erblickten wir den Körper selbst und hoben ihn heraus. Wir hatten erwartet, ihn wie gewöhnlich mit vielen Streifen und Binden von Leinewand umwikkelt zu sehen, statt dessen fanden wir ihn in einer Art von Futteral, das aus Papyrus verfertigt und mit einer dicken Schicht reichlich vergoldeten und bemalten Gipses überkleidet war. Viele der Bilder behandelten die mannigfachen Pflichten der Seele, andere stellten dar, wie sie verschiedenen Gottheiten ihre Huldigung darbringt. Auf diesen letzteren war sie stets von zahlreichen menschlichen Gestalten umgeben, die offenbar die einbalsamierte Person vorstellen sollten.
Vom Kopf bis zu den Füßen zog sich eine säulenartige, senkrecht laufende Inschrift, die ebenfalls aus Lauthieroglyphen bestand und den Namen und Titel des Toten sowie die Namen und Titel seiner Verwandten bedeutete.
Um den Hals war eine Kette von zylinderförmigen Glasperlen geschlungen, die in der Farbe verschieden und so geordnet waren, daß sie Bilder von Gottheiten, von Käfern und anderen heiligen Tieren sowie von geflügelten Kugeln bildeten. Um den Leib wand sich eine ähnliche Kette.
Wir entfernten den Papyrus und fanden, daß das Fleisch vortrefflich erhalten und vollständig geruchlos war. Seine Farbe war rötlich und die Haut hart, glatt und glänzend. Zähne und Haare waren ebenfalls in bestem Zustande. Die Augen hatte man, wie mir schien, herausgenommen und durch Glasaugen ersetzt, die sehr schön und wunderbar lebensähnlich aussahen und eigentlich nur durch ihren allzu starren Blick als künstliche zu erkennen waren. Finger und Nägel waren glänzend vergoldet.
Herr Gliddon meinte, die Röte der Haut lasse darauf schließen, daß bei der Einbalsamierung nur Asphalt verwendet worden sei. Als man jedoch die Haut an einer Stelle ein wenig schabte und den auf diese
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