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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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unbewußt.
    »Komm, komm!« rief nun der König mit Ungeduld, »ist dir noch nichts eingefallen?«
    »Ich bemühe mich, etwas ganz Neues zu erdenken«, stammelte der Zwerg, den der Wein schon ganz verwirrt hatte.
    »Bemühen!« schrie der Tyrann wütend, »was willst du damit sagen? Ah, ich sehe schon, du bist noch nicht in Stimmung und mußt mehr Wein haben. Hier, trink!« Und er goß noch einen Becher voll und bot ihn dem Krüppel dar, der, nach Atem ringend, ihn angstvoll anstarrte.
    »Trink, sag ich dir!« schrie das Ungeheuer, »oder der Teufel …« Der Zwerg zögerte. Der König wurde purpurrot vor Wut. Die Höflinge lächelten albern. Trippetta, bleich wie eine Leiche, ging auf den König zu, fiel vor ihm auf die Knie und bat um Gnade für ihren Freund.
    Der Tyrann betrachtete sie einige Minuten lang; offenbar wunderte er sich über ihre Kühnheit. Er schien nicht recht zu wissen, was er tun oder sagen sollte, wie er seine Entrüstung am schicklichsten zum Ausdruck brächte. Endlich stieß er sie, ohne eine Silbe zu reden, von sich fort und goß ihr den Inhalt des übervollen Bechers ins Gesicht.
    Das arme Mädchen erhob sich zitternd, und ohne einen Seufzer zu wagen, nahm es seinen Platz am unteren Ende der Tafel wieder ein.
    Während einer halben Minute war es so totenstill, daß man eine Feder oder ein Blatt hätte fallen hören können. Da wurde die Stille durch ein leises, aber scharfes, andauerndes Geräusch unterbrochen, das zu gleicher Zeit aus jeder Ecke des Zimmers zu kommen schien.
    »Wa-wa-warum machst du den Lärm da?« wandte sich der König wütend an den Zwerg.
    Der schien sich jedoch von seiner jähen Betrunkenheit vollständig erholt zu haben, und den Tyrannen fest, doch ruhig anblickend, sagte er bloß:
    »Ich? – Ich? Wie könnte ich das getan haben?«
    »Mir schien es«, bemerkte einer der Höflinge, »als käme der Ton von außen. Ich glaube, es war der Papagei dort am Fenster, der seinen Schnabel an den Käfigstäben wetzte.«
    »Mag sein«, erwiderte der Monarch, als fühle er sich durch diese Erklärung beruhigt, »aber ich hätte auf meine Ritterehre geschworen, daß jener Vagabund mit den Zähnen geknirscht habe.«
    Bei diesen Worten lachte der Zwerg laut auf (der König war zu sehr für Späße eingenommen, um etwas dagegen zu haben, wenn jemand in seiner Gegenwart lachte) und entblößte dabei eine Reihe beängstigend großer, starker Zähne. Überdies erklärte er sich bereit, so viel Wein zu trinken, wie man nur von ihm verlange. Der Monarch war besänftigt, und nachdem Hopp-Frosch noch einen Humpen Weins ohne äußerlich schlimme Wirkung hinuntergestürzt hatte, setzte er mit viel Laune seine Pläne betreffs der Maskerade auseinander.
    »Ich weiß nicht, welche Ideenverbindung mich darauf gebracht hat«, begann er ganz ruhig, als habe er in seinem ganzen Leben noch keinen Tropfen Wein gekostet, »aber gleich nachdem Majestät das Mädchen geschlagen und ihm den Wein ins Gesicht gegossen hatten – also gleich nachdem Majestät das getan, und während der Papagei jenes wunderliche Geräusch am Fenster machte, erinnerte ich mich plötzlich eines prächtigen Maskenscherzes, den man oft in meiner Heimat aufführte. Hier wird er jedoch ganz neu sein. Unglücklicherweise sind jedoch acht Personen dazu nötig und …«
    »Wir sind ja gerade acht!« rief der König lachend über seine scharfsinnige Entdeckung – »genau acht, ich und meine sieben Minister – also los, was ist das für ein Scherz?«
    »Wir nennen es«, erwiderte der Krüppel, »die acht aneinandergeketteten Orang-Utans. Es ist wirklich ein ausgezeichneter Scherz, wenn er gut durchgeführt wird.«
    »Wir werden ihn schon durchführen«, sagte der König, indem er aufstand und die Augenlider senkte. »Der Hauptspaß dabei«, fuhr Hopp-Frosch fort, »ist der Schreck, den er den Damen verursacht.«
    »Vorzüglich«, brüllten der König und seine sieben Minister im Chor.
    »Ich werde Sie als Orang-Utans ausstaffieren«, fuhr der Zwerg fort.
    »Sie können mir alles überlassen. Die Ähnlichkeit wird so vollkommen, daß die ganze Gesellschaft Sie für wirkliche Bestien halten wird – man wird sicherlich ebenso erschrocken wie überrascht sein.«
    »Das ist ja wirklich famos!« rief der König. »Hopp-Frosch, ich will noch mal was Ordentliches aus dir machen!«
    »Die Ketten haben den Zweck, durch ihr Klirren die Angst und die Verwirrung zu erhöhen. Man wird glauben, Sie seien en masse Ihren Wärtern entflohen. Majestät

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