Erzaehlungen aus dem Nachlass
träte in die bräunlichen Wangen Marias des Lebens entzückende Röthe und als umspielte die Lippen der Mutter Christi ein Zug von Milde, Erbarmen – Vergebung!
Sie erhob sich und schlich mit zitterden Zaudern in den Hintergrund des Gotteshauses zu einem der schweren, geschnitzten, eichenen Stühle. Ein Taumel von Reue und Gram hatte sie erfasst.
Sie kniete hin auf der harten Stufe und legte die zuckenden Lippen fast an das dichtvergitterte Fensterchen …
Eine Weile zögerte sie.
Es war ein junger Priester vor dem sie kniete.
Sein schwarzes Auge loderte.
Ein Schauder fasste sie; sie sollte diesem Manne …
Aber der hohe, überweltliche Feierfriede der hehren Kirche floss mählich wieder ihr lautpochendes Herz.
Sie heftete die Blicke niederwärts.
Mit bebender Angst gestand sie – alles …
Ihre ganze leichtsinnige Schuld flüsterte sie unter Thränen dem Manne zu, dem Vertreter Gottes!
In dem Kleide der Zerknirschung stand ihr furchtbares Geständnis vor dem ewigen Richter.
Ein rüttelnde(s) Weinen zerrte an ihren Gliedern.
Die Stäbe des Gitterfensterchens tanzten ein(en) tollen Reigen.
Sie hob den Blick empor – sah die mächtigen Säulen wanken, stürzen …
Die Sinne schwanden ihr …
Sie lehnte mit geschlossenen Augen im Dunkel des Stuhles.
*
Sie kam mählich wieder zu sich.
Eine milde, volltönende Stimme legte ihr den kühlenden Balsam des Trostes auf die brennende Wunde der Seele.
Der Mann hinter dem Gitter war es, der zu ihr sprach, der Priester. Leise und ernst.
Sie achtete nicht auf den Sinn – der Ton allein that ihr wohl. Sie vernahm Worte von Frieden und Glück – hier und im Jenseits …
Ihr schauerte.
Es war kalt in der Kirche.
Aber das Herz war leichter. Jetzt horchte sie auch auf den Sinn der Rede. Sie bewunderte, sie verehrte diesen Mann, der da von seinem Gotte beseelt Trost und Erbarmen geben kann …
Jetzt vernahm sie ein paar lateinische Worte.
Mit bebenden Fingern machte sie das Kreuz.
Langsam erhob sie sich.
Des Priesters dunkles Auge blieb fest auf sie gerichtet.
Ein Gefühl innigen Dankes bewegte sie. Durch ihn hatte ihr der Himmel vergeben. – Er reichte ihr die Hand mit der Stola – und sie küsste die Hand.
Selig taumelte sie über die Schwelle der Kirche in ein neues, neues Leben! –
*
Als es Abend wurde saß die rothe Liese am Fenster ihres Kämmerchens. Sie schaute mit klarem, sonnigem Auge hinaus auf die grauen Dächer und die russigen, mürrischen Schornsteine. Ihr Herz war hell und Gedanken aus ferner Kindheit spiegelten sich in ihrem ruhigen Innern wie wandelnde Wolken im schweigenden Waldsee.
Ja, der heilige Mann im Beichtstuhl hatte ihr heute Vergebung verliehen. Vergebung des Himmels und mit ihr auch die ihrer Mutter. Gewiss – auch die schlichte, alte Frau hätte dieser Reue Verzeihung gewähren müssen.
Die Dämmerung wurde immer dichter.
Nur die Umrisse der Dächer stachen noch scharf von dem matten Grau des Abendhimmels ab, und die vielen Kamine reihten sich aneinander wie geheimnisvolle Lettern, die eine unsichtbare Hand auf die Wolken geschrieben hatte …
Das Mädchen erhob sich. Sie öffnete Schrank und Schubfach und vernichtete alles – was sie an die entsetzliche Vergangenheit erinnern konnte, an jene Vergangenheit der Spuren der Odem göttlicher Gnade von ihrer Seele gehaucht. Da gab es Briefe und Bilder, Tücher und Blumen, welke zerdrückte Sträußchen … Langsam legte sie alles in den Rachen des rostigen Eisenofens. Dann lohte sie ein Feuer an … Nach und nach zog sich die bläuliche Flamme weiter und weiter, leckte roth auf, sobald sie das Papier ergriffen hatte, und fraß in rasender Eile an den schuldlosen Opfern. Liese aber stand davor und sah zu wie die schamlosen Briefchen sich spalteten und rollten und kräuselten, gleich als müssten sie sich winden in namenlosem, unendlichem Schmerze, – und dabei surrte und summte es leise als stammelten sie in Todesangst: …» wir lügen! wir lügen…«
Ja, sie haben gelogen, sagte sich das Mädchen.
Die Flamme erlosch jäh.
Verlorene Glut irrte durch den schwarzen Aschenhauf.
Liese wandte sich ins Zimmer, und entbrannte die kleine Öllampe.
Sie nahm ein Buch vor, ein schlichtes altes Buch: Sagen, Legenden Erzählungen.
Sie schlug es auf und las von »Rosa von Viterbo.«
Sie vertiefte sich in das Leben der Heiligen – zitterte für ihr Schicksal – wie sie das Kleid voll milde Gaben zu den armen Hungernden niederstieg … Sie vernahm gar nicht dass die Thür
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