Erzaehlungen aus dem Nachlass
erkannte.
Da russte eine dürftige Öllampe.
Darüber hängt ein Aushängschild.
Und unwillkürlich steht sie und liest.
»Schreinermeister.«
Sie buchstabiert wie ein Kind bei dem unstäten unrastvollen Licht.
Aber dann sieht sie besser.
Und sie erkennt: »Anton …«
Jetzt erst denkt sie.
Sie denkt vieles auf einmal – Alles …
Hinauf. Eine enge, finstere holprige Treppe. Und an der Thür pocht sie über der das gleichnamige Schild glänzt.
Schritte drinnen.
Und sie reißt sie auf.
»Anton!«
Aus ihrem Auge fliegt ein Funken und entloht seines. Er fängt sie in seinen Armen auf und presst sie mit brutaler Naturgewalt an sich. In einem einzigen Schrei, ähnlich dem Ruf des Auerhahns, wirbelt sein ganzer, riesiger Jubel aus der Brust! Und sie sieht ihn an. Groß und ernst. Mit den Augen der ewigen, himmlischen, jauchzenden Liebe.
Und er versteht sie…
*
Sterne waren am Himmel gewesen. Aber der Morgen war trüb. – Perlgrauer Nebel kroch leise durch die Luft und die rundlichen Pflastersteine hatten glänzende Backen. Anna ging heim.
Sie schritt gebückt einher und ängstlich.
Ihr Aug aber glänzte.
Glänzte in jener heimlich-süßen Weise, wie Edelsteine glimmen im Dämmerschein.
Sie trat in ihr Haus. Und ihre Gestalt wuchs.
Sie ging nicht die Treppe hinauf zu ihrem Gelass.
Gaming schlief unten.
Sie schritt in die Küche und nahm unterm Herd das blanke Beil hervor. Es war schwer. Aber sie trug es leicht und gewandt.
Und jetzt öffnete sie die Thüre ihres Ehegenossen. Er lag da den Kopf weit zurück, das Hemde offen über der haarigen breiten Brust. Das struppige Gesicht strotzte knallroth aus den gestreiften Kissen.
Sein Athem ging rollend und schwer.
Alle Minuten pfauchte er.
Die Falten um die Augen waren, als ob er grinste.
So schlürfte er in Säuferzügen den – Schlaf.
Und eklig, hässlich, abscheulich war er.
Und Anna dachte an die letzte Nacht. –
Es fasste sie plötzlich unbewusst jenes Streben alles Hässliche aus der Welt zu räumen, der Welt, in der es so süße Wonnen gibt.
Sie trat herzu.
Der Dunst von Fusel und Schweiß packte sie und rann bis in ihre Fingerspitzen. In die Fingerspitzen die am Schaft des Beiles ruhten.
Und dieser Dunst krampfte ihre Arme, so dass sie sich hoben …
Mit einem Schlag hatte sie ihrem Manne den Schädel gespalten.
Ruhig und sicher, wie man ein giftiges Thier totschlägt.
Und dann wusch sie sich, setzte sich auf ihren Platz am Fenster und raunte:
… Das alte Glück
Ist ja nicht tod …«
… Und sie war doch eine Heilige!
Die rothe Liese
Die Geschichte einer Unglücklichen
In der finsteren, engen Seitengasse ragte ein finsteres graues Haus. Drei Treppen hoch. – Unten wohnten ehrsame Leute, arme Beamte, rastlose Handwerker. Unter dem Dach aber hatte die rothe Liese ihr winziges Kämmerchen. Die rothe Liese! Wer kannte sie nicht? Das kleine Ding mit dem vollen Busen den kecken Schelmenaugen und den rothen Wangen … Wer ihr begegnete schaute seitab zog die Mundwinkel abwärts und dachte: Die Dirne …
Aber nächtlich da schlich so mancher zu dem grauen Hause. – Leise zog er die altmodische Klingel, die erst stöhnte ehe sie gellend anschlug. Dann blieb es immer still. Erst in einer Weile vernahm man schwer schleppende Schritte. Der riesige Schlüssel drehte sich unwillig im rostigen Schlosse – dann ein Ruck und das eichene Thor gab nach. Die Hausdienerin stand mit den triefenden blöden Augen ein verschmitztes Grinsen im alten Gesichte da, nickte, schloss behutsam wieder ab – und ließ den nächtlichen Gast mit einem höhnisch klingenden »Gut Nacht« die steile, ausgetretene Wendeltreppe hinanstraucheln. – Fast täglich kam einer, – und fast täglich ein Anderer … Ja, die Liese, dachte die hexenhafte Dienerin unten, die verstehts… und sie kicherte in sich hinein. Sie machte ja auch ihr Geschäftchen dabei; da gabs Sperrgroschen die Fülle – und Trinkgeld noch obendrein. – Aber seit ein paar Tagen war die Thorhüterin sehr schlimmer Laune. Umsonst horchte sie immer bis es elf vom nahen Thurme schlug. Zwei dreimal lief sie sogar schauen ob sie die Klingel, die doch tüchtig schmetterte, nicht etwa überhört hätte? Nein – es kam niemand. – Sie überlegte hin und her … was war der Grund? … sollte das Mädchen das einträgliche Handwerk aufgegeben haben? So dumm konnte sie doch nicht sein … Jung war sie auch noch – und sicher hätten noch genug Tölpel kommen mögen … sicher … und die Alte
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