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Erzaehlungen aus dem Nachlass

Erzaehlungen aus dem Nachlass

Titel: Erzaehlungen aus dem Nachlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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ihres Stübchens geöffnet wurde Brigitte stand an der Schwelle …
    Sie grinste und hinkte auf das Mädchen zu.
    Jetzt erst vernahm Liese Schritte.
    Sie erschrak als sie die Alte hart neben sich sah … Was wollte die – es musste doch schon Nacht sein? …
    Die Thorhüterin neigte sich zu ihr.
    »He, he«, kicherte sie, »Fräul’n, soll niemanden herauflassen, der – der geht aber nicht …, geht nicht« …
    Das Mädchen stieß die Alte empört von sich.
    Sie eilte zur Thür, die nur angelehnt war.
    Jäh riss sie sie auf.
    Das Wort des Grolls erstarb ihr auf den Lippen.
    Der Priester! – derselbe, der Vormittag ihr den Frieden gegeben er kam jetzt? …
    Sein Auge lohte Sünde …
    Er trat ein.
    Liese schaute ihn starr an.
    Sie sah wie er auf sie zukam nah, ganz nah, sie spürte schon den Hauch der gierigen Lippen …
    Sie wollte fliehen, schreien …
    Sein begehrendes Auge that ihr weh …
    Da aber fiel ihr die Beichte ein … Vergebung durch ihn? … Sie lachte schrill auf und warf sich dem Mann in die Arme. – Die Alte aber schlich zur Thür und kicherte zwischen den Zähnen: Die giebts nicht auf die giebts nicht auf. …

Zwei Schwärmer
Ein Capitel aus dem Buche der Thorheit
Berlin, den 24. März 189…
Lieber Neffe!
    Da ich sehe, dass es Dir um die Sache wirklich ernst ist, und du einmal der alte Schwärmer bleiben willst, der sich immer nur von seinen Gefühlen leiten lässt, will ich meine Einwilligung zu deiner Heirat nicht versagen. Heirate! Meine Erkundigungen haben ergeben, dass das Mädchen ebenso brav wie arm ist; letzterer Umstand könnte bei deinen Verhältnissen freilich ein Hemmnis bilden, – aber ihr müsst’ euch halt bescheiden, sehr bescheiden einrichten, und ich will von meinem kleinen Vermögen Euch einen zeitweiligen Zuschuss nicht versagen. Wenn es auch immer meine Ansicht war, der Mann müsse, ehe er solchen romantischen Neigungen nachgeben dürfe, fest auf den beiden, stämmigen wohlbekleideten Füßen stehen – sehe ich jetzt doch ein, dass mit so einem weltfremden Phantasten kein vernünftig nüchternes Wort zu reden ist. – Ihr Künstler seid halt vielleicht einmal so. No, ja – also, mein Junge, mög’ dir dein lange ersehntes Glück recht gut ausschlagen! An dem Kraut der Ehe hat sich ja schon so mancher Wolkenkuckuksheimer Staatsbürger nüchtern gegessen, und ist zu einem ganz verständigen Glied der irdischen Gesellschaft geworden … ich will nicht predigen und prophezeihen; du könntest den alten Onkel auslachen. Also viel, viel Glück! Grüß mir dein Bräutchen und sei versichert
dass es Dir stets von Herzen gut meint
dein Oheim
Paul Berger
Chef der Firma Berger & C°
    *
    Mit diesem Briefe in der Tasche stürmte Erhard Bender die fünf Treppen aus seinem Atelier hinab. Endlich! Endlich hatte er den Starrsinn des sparsamen alten Herrn überwunden und seine Magda konnte sein Weib werden. Das Herz schlug ihm so laut, dass ihm der Athem ausging und er unten in der Max Josephstraße eine Weile stille stehen musste.
    Es war ein grauer unfreundlicher Märztag. Ein schwerer Nebel lag prickelnd auf den weiten Gassen und der Gangsteig glänzte. Dem jungen Maler aber schien es heute schöner als an dem herrlichsten Frühlingstage, denn in seiner Brust strahlte die Sonne des Glückes und weckte da drinnen das Blühen der Hoffnung wach. – Eilig schritt er fort. – Jetzt wollte er Magda aus dem Nähgeschäfte wo sie angestellt war abholen. – Es war erst fünf Uhr nachmittags, – aber heute musste sie früher weg, musste überhaupt ihre unwürdige Stelle aufgeben. Er ging immer schneller. Er stellte sich die Freude der Geliebten vor, und sann dann weiter… Das würde jetzt ein Dasein werden voll Licht und Lust. – Jetzt würde er schaffen können – an ihrer Seite, unter ihrem Zuspruch. Freilich Zuspruch und Rath könne er von ihr schon annehmen. Sie hatte ja in ihrer Kindheit eine gar treffliche Bildung genossen. War doch ihr Vater der große M. dessen Bilder heute noch bewundert werden und der dann durch die Ungunst der Verhältnisse im Elend starb … Ja, Magda sollte jetzt wieder gute, gute Zeiten haben… Da stand er schon vor dem großen Wäschegewölbe. – Hastig trat er ein. – Er reichte Magda beide Hände und trat an ihrer Seite in den Hinterraum. Dort waren sie allein. Er umfing sie stürmisch, küsste sie auf die Stirne und schaute dem bleichen Mädchen dann eine Weile stumm in die Augen.
    Noch ahnte sie nichts. Er las die große Frage, das süße

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