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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Verne
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Jahren geschah! Aber eben: die Herren Engländer können sich nie in diese Sache fügen, die durch eine gerechte Vergeltung hienieden ihr Land zu einer amerikanischen Kolonie gemacht hat! Völliger Irrsinn! Wie ist denn Ihre Regierung auf die hirnverbrannte Idee gekommen, ich würde jemals eine derart antipatriotische Kampagne für sie …«
    »Herr Benett, nach der Monroe-Doktrin gehört ganz Amerika den Amerikanern, Sie wissen es. Aber eben nur Amerika, und nicht …«
    »England, mein Herr, ist heute nichts als eine unserer Kolonien, immerhin eine der schönsten. Rechnen Sie ja nicht damit, daß wir sie jemals wieder abtreten werden!«
    »Sie weigern sich also?«
    »Ich weigere mich, und wenn Sie auf Ihrer Forderung beharren sollten, werden wir daraus einen
casus belli
konstruieren, und zwar einzig auf das Interview eines unserer Reporter hin!«
    »Das ist das Ende!« murmelt der zerknirschte Konsul vor sich hin. »Das Vereinigte Königreich, Kanada und Neu-Britannien gehören den Amerikanern, Indien den Russen, Australien und Neuseeland gehören sich selbst! Was bleibt uns noch von all dem, was einst Großbritannien hieß? … Nichts mehr!«
    »Nichts mehr, Herr Konsul! Und was ist mit Gibraltar?« fragt Francis Benett zurück.
     
    Gerade da schlägt es zwölf Uhr mittags. Der Direktor des
Earth Herald
deutet mit einer Handbewegung das Ende der Audienz an und verläßt den Salon. Er setzt sich in einen Rollsessel, und in wenigen Minuten hat er sein Speisezimmer erreicht, das sich einen Kilometer entfernt am andern Ende des Hotels befindet.
    Der Tisch ist gedeckt. Francis Benett nimmt Platz. In Reichweite befinden sich eine ganze Menge von Hahnen. Und direkt vor ihm wölbt sich die Scheibe des Fernsehers, auf der soeben das Eßzimmer seines Hotels in Paris erscheint. Ungeachtet des Zeitunterschieds sind Herr und Frau Benett übereingekommen, zur selben Zeit ihr Mittagsmahl einzunehmen. Es gibt ja nichts Schöneres als sich so gegenüberzusitzen und, der großen trennenden Distanz zum Trotz, durch das Mittel des Fernsprechers miteinander zu plaudern.
    Doch jetzt eben ist das Eßzimmer in Paris völlig leer …
    ›Edith wird sich wieder mal verspätet haben!‹ denkt Francis Benett. ›Oh, die Pünktlichkeit der Frauen! Alle Dinge verbessern sich ständig, dieses eine aber nicht! …‹
    Und während er diese leider nur allzu berechtigte Feststellung macht, dreht er an einem der Hahnen.
    Wie alle wohlhabenden Menschen unserer Epoche verzichtet Francis Benett auf eine häusliche Küche. Er ist einer der vielen Abonnenten einer großen
Traiteur-Gesellschaft.
Sie liefert über ein ganzes Rohrpostnetz Mahlzeiten von tausenderlei Sorten. Das System ist kostspielig, das versteht sich, aber die Speisen schmecken besser, und es hat außerdem den Vorteil, daß es die haarsträubende Rasse der Blauband-Köche beiderlei Geschlechts abgeschafft hat.
    Francis Benett speist also allein – zu seinem leisen Bedauern. Wie er seinen Kaffee austrinkt, erscheint nun doch noch Frau Benett auf dem Bildschirm.
    »Wo kommst denn du her?« erkundigt sich ihr Gatte.
    »Da schau her!« läßt Frau Benetts Stimme sich vernehmen, »bist du schon fast fertig? … Komme ich zu spät? … Wo ich herkomme? … Natürlich vom Hutmacher! … Du, dieses Jahr gibt es aber phantastische Hüte! Entzückend! Eigentlich sind es gar nicht mehr richtige Hüte … eher so eine Art Kirchenkuppeln! … Ich habe mich wohl etwas lange dabei verweilt! …«
    »Etwas schon, meine Liebe, so lange, daß ich jetzt mit meiner Mahlzeit schon am Ende bin …«
    »Na schön, dann geh halt wieder … geh an deine Arbeit«, gibt Frau Benett zur Antwort. »Ich habe noch eine Besorgung zu machen. Ich möchte meinen Schneider und Modelleur aufsuchen.«
    Dieser Schneider aber ist niemand anderes als der berühmte Wormspire, der Mann, der einmal gesagt haben soll: ›Eine Frau ist nichts weiter als ein Formproblem.‹
    Francis Benett gibt seiner Frau einen Kuß auf die Wange – das heißt: auf den Bildschirm – und macht ein paar Schritte bis zum Fenster, wo sein Aerotaxi bereits wartet.
    »Wohin möchten Sie, Herr Benett?« erkundigt sich der Pilot.
    »Warten Sie mal … ja, ich habe Zeit … Fliegen Sie mich zu meinen Akkumulatorenfabriken am Niagara!«
    Das Aerotaxi, eine erstaunliche Maschine, deren Konstruktion auf dem Prinzip des unterschiedlichen spezifischen Gewichts beruht, fliegt mit einer Geschwindigkeit von sechshundert Kilometern in der Stunde durch die Luft.

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