Die Verborgenen
Busse
» D u bist hier nicht willkommen, Paul.«
An den meisten Orten der Welt würde so eine Bemerkung normal klingen. Vielleicht unfreundlich, aber nicht ungewöhnlich. Durchaus akzeptabel.
An den meisten Orten, doch nicht in einer katholischen Kirche.
»Aber ich werde verfolgt«, sagte Paul. »Und es ist kalt da draußen.« Pauls Blick huschte hin und her, zu schnell, um irgendetwas erkennen zu können. Er wirkte gehetzt.
Das war nicht Pater Esteban Rodriguez’ Problem. Dieser Mensch – wenn man ihn überhaupt noch so nennen konnte – würde keinen Zutritt mehr zur Cathedral of St. Mary of the Assumption erhalten. Nie wieder.
»Du weißt doch Bescheid«, sagte Esteban. »Du gehörst nicht mehr zur Kirche.«
Pauls Augen wurden schmal, sein Blick war plötzlich klar. Esteban erkannte einen Funken von jenem wachen Geist, der Paul so beliebt gemacht und die Menschen für ihn eingenommen hatte.
»Was ist mit Vergebung?«, fragte Paul. »Darum geht es doch für uns alle, um die Vergebung unserer Sünden. Oder bist du besser als unser Erlöser?«
Esteban spürte, wie Wut in ihm aufstieg, was bei ihm nur sehr selten vorkam. Sogleich kämpfte er dagegen an und versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. »Ich bin nur ein Mensch«, sagte er. »Vielleicht ein diesbezüglich schwacher Mensch. Der Herr mag deine Sünden vergeben können, aber ich kann es nicht. Du kannst hier keine Zuflucht suchen.«
Paul sah zu Boden. Schauer durchliefen seinen Körper. Auch Esteban zitterte. Die abendliche Kälte in San Francisco – eine feuchte, hartnäckige Angelegenheit – drang durch den Türspalt, den Esteban mit seinem Körper versperrte.
Paul trug einen verschlissenen blauen Mantel, der vor langer Zeit wahrscheinlich bauschig und glänzend gewesen war. Vielleicht hatte er an seinem ursprünglichen Besitzer sogar gut ausgesehen – wer auch immer das vor wie vielen Jahren gewesen sein mochte. Pauls Hose war schmutzig; der Unrat bildete zwar noch keine Kruste, aber mit Essensresten, Fett und anderen Dingen beschmierte Finger hatten ihre Spuren hinterlassen. Vor einigen Jahren hatte sich dieser Mann um Obdachlose gekümmert. Jetzt sah er aus, als sei er selbst einer von ihnen.
»Ich kann nirgendwo hingehen«, sagte Paul und sah noch immer zu Boden.
»Das ist kein Problem der Kirche. Das ist nicht mein Problem.«
»Ich bin ein Mensch, Pater.«
Esteban schüttelte den Kopf. Diese abstoßende, dämonische Kreatur vor ihm hielt sich für einen Menschen? »Du gehörst nicht hierher. Du bist hier nicht erwünscht. Dies hier ist ein geschützter Ort – niemand würde die Wölfe zu den Schafen lassen. Warum gehst du nicht dorthin, wo du hingehörst? Geh, Paul! Wenn du nicht verschwindest, rufe ich die Polizei.«
Paul wandte sich um und sah die Straße hinab. Er schien nach etwas zu suchen, nach etwas … ganz Bestimmtem. Nach etwas, das nicht da war.
»Ich habe mit der Polizei gesprochen«, sagte Paul. »Ich habe sie darüber informiert, dass ich verfolgt werde.«
»Und was haben sie gesagt?«
Paul sah Esteban in die Augen. »Die haben mir so ziemlich dasselbe gesagt wie Sie, Pater.«
»Was ein Mensch sät, das wird er ernten«, sagte Esteban. »In der Hölle gibt es einen besonderen Platz für Menschen wie dich. Bitte geh jetzt, Paul.«
Traurigkeit erfüllte Pauls Augen. Erschöpfung, Verzweiflung und vielleicht auch die unausweichliche Einsicht, dass dieser Teil seines Lebens vorüber war. Paul sah an Esteban vorbei durch den Türspalt in das Innere der Kirche. Die Traurigkeit in seinem Blick wurde zur Trauer. In diesem Gebäude hatte Paul viele Jahre verbracht.
Diese Jahre waren für immer vergangen.
Paul drehte sich um und ging die breite Kirchentreppe hinab. Esteban sah ihm nach, wie er den Bürgersteig der Gough Street erreichte, die Straße überquerte und dann die O’Farrell Street hinunterging.
Esteban schloss die Tür.
Paul Maloney zog die Schultern hoch und versuchte, seine Ohren mit dem Mantel zu bedecken. Er brauchte einen Hut. Nachts war es hier draußen entsetzlich kalt. Der Wind trieb den Nebel vor sich her – Nebel, der so dicht war, dass man sogar auf Augenhöhe einzelne Schwaden erkennen konnte. Er ging die O’Farrell Street entlang, die durch ein Viertel voller Striplokale, Drogendealer und Huren führte. Ein Weg der Sünde und der Erniedrigung. Ein Teil von ihm wusste, dass er hierhergehörte. Ein anderer, älterer Teil wollte aufschreien und mit lauter Stimme all diesen Sündern
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