Es begann im Birkenhain (Heimatroman) (German Edition)
seine Hände in die Hosentaschen. Der Ausdruck früherer Verbitterung überflutete dabei wieder sein Gesicht. »Jetzt bin ich soweit, dass ich mich in der Schreinerei ganz gut mache. Der Herr Burger ist mit mir sehr zufrieden. Nimmer lang tät's dauern, und ich hätte eine neue, eigene Existenz aufgebaut. Barbara, dann könnten wir heiraten. Du könntest zu mir nach Reitzenstein ziehen. Wir bekämen eine Wohnung und ...«
»Ach, hör doch auf«, sagte sie daraufhin schroff, »das sind doch alles bloß Träume. Solange es zwischen dir und dem Dorf nit zu einer Versöhnung gekommen ist, kann man an eine Zukunft noch gar nit denken.«
»Zum Dunnerwetternei!«, brüllte er da heraus. »Kann ich denn was dafür, dass es so gekommen ist? Muss ich denn mein Leben lang allein schuld sein? Glaubst du das denn auch, weil du so blödsinnig daherredest?«
»Ich glaub es nit, das weißt du!« schrie sie heftig hervor. »Aber es ist nun einmal so, und wenn ich mich auf den Kopf stelle und mit den Beinen strample, dann kann ich es auch nit ändern. Unsere Liebschaft steht nun mal unter keinem guten Stern. Ich hab manchmal Zweifel, ob es überhaupt gutgehen wird.«
»So?«, fragte er sie mit belegt klingender Stimme. »Du hast also Zweifel in dir, Barbara.«
»Ja, Martin, die hab ich«, gestand sie ihm leise und dennoch versöhnlich ein. »Ich kann manchmal nachts überhaupt nimmer schlafen vor lauter Angst und Sorge. Wenn ich nur wüsste, was aus uns einmal werden soll. Heiland im Himmel, hilf doch.«
Er schwieg. Er schwieg lange und starrte auf den Boden, auf dem die dürren Blätter des Birkenhains bereits zu vermodern begannen. Das Bergjahr neigte sich seinem Ende zu. Bisweilen fegte schon ein kalter Wind aus dem Gewänd ins Tal hernieder. Dann spürte man bereits den Hauch des Winters. Nicht mehr fern war der Tag, an dem alles mit Eis und Schnee zugedeckt sein würde. Wie wohl dann die Liebe zwischen Martin und Barbara aussah ... Gab es ein Glück für sie - eine Hoffnung oder ein Blümlein der Gnade?
*
Dann war es in den Bergen plötzlich Winter geworden. Grade zu über Nacht hatte es heruntergeschneit. Die Schneepflüge hatten alle Mühe, die schmalen Verbindungsstraßen zwischen den kleinen Dörfern freizuhalten. Stundenlang konnte man manche von ihnen überhaupt nicht erreichen. So kam es auch, dass die Verbindungen zwischen Reitzenstein und Briggs gute zwei Tage unterbrochen war.
Eine Woche nach diesem ersten Schneefall kam es noch einmal überraschend zu einem Wärmeeinbruch. Dieser ließ hoch droben im Gewänd die Lawinen niederdonnern, denn das Gestein war doch noch ein wenig zu warm, um diese enormen Schneemassen halten zu können.
»Hoffentlich hält der Schnee an der Ostwand zum Steinkogl«, sagte Max Löwinger mit gerunzelter Stirn zu seiner Frau. »Sonst könnte es uns gehen wie vor vier Jahren, als die Lahn niedergegangen ist und fast unser Wirtshaus erwischt hätt.«
»An der Ostwand ist's alleweil kälter«, bemerkte Hanna dazu. »Dort geht nit gar so leicht eine Lahn nieder.«
»Trotzdem wird es Zeit, dass es wieder kälter wird«, sagte der Adlerwirt. »Was meinst du, Barbara?«
Schon seit Tagen ging Barbara mit einem merkwürdig stillen und verschlossenen Gesicht durch das Haus. Sie nahm kaum Anteil und zeigte wenig Regung. Martin hatte sich seit etlichen Tagen nicht mehr sehen lassen. Barbara wusste nicht, ob das allein am Wetter lag, in ihr waren nur noch die allergrößten Zweifel. Hatten sie sich beim letzten Zusammensein vielleicht falsch verstanden?
An jenem Abend, als die Mutter in der Küche zu tun hatte und der Vater in den Keller gegangen war, um ein paar Flaschen Wein zu holen, stürzte Barbara Löwinger zum Telefon, das in einer Nische an der Schank stand. Die Nummer der Schreinerei hatte sie sich schon zuvor von der Auskunft geben lassen. Hastig und nervös wählte sie. Dann bekam sie das Rufzeichen. Eine ganze Weile rührte sich überhaupt nichts.
»Schreinerei Burger«, meldete sich schließlich eine Stimme die Barbara allerdings nicht kannte.
»Ich - ich möchte gern mit dem Jaus-Martin sprechen«, stammelte sie hervor. »Ein Momenterl, bitt' schön. Den muss ich erst herunterholen. Er ist nämlich oben, wissen Sie.«
»Ja, bitt' schön«, sagte Barbara. »Aber es eilt!« warf sie einen Blick zur Tür, durch die der Vater jeden Augenblick wieder eintreten konnte. Aufgeregt trat Barbara von einem Fuß auf den anderen. Schließlich hörte sie, wie sich Schritte
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