Es begann im Birkenhain (Heimatroman) (German Edition)
bitter.
»Hast du ihm denn noch alleweil nit verziehen, Martin?«, fragte Barbara flehend.
»Doch«, bekannte der Schreinergeselle, »ich hab ihm verziehen. Ich hab allen verziehen, denn sie waren doch im Unrecht und ich nit. Ich kann jetzt nit begreifen, dass sie mir nit verzeihen wollen, wo es nix zu verzeihen gibt.«
Diese Worte stimmten Barbara sehr nachdenklich. Nach längerem Überlegen musste sie wohl oder übel zugeben, dass Martin in diesem Punkt recht hatte.
»Na ja«, sagte er, »sie werden sich wohl dran gewöhnen müssen, dass ich ab und zu in Briggs aufkreuze ...«
»Bitte, Martin«, unterbrach ihn Barbara flehend.
»Ja, was ist denn?«
»Versprich mir bitte, dass du nie in unser Gasthaus kommst. Ich möchte nit, dass dir mein Vater die Tür weisen muss, verstehst du mich?«
Martin nickte. Ein bitteres und wehmütiges Lächeln umspielte seine Lippen.
»Dir zuliebe tu ich es. Normalerweise hätte dein Vater keinen Grund, mir die Tür zu weisen.«
»Er tät es trotzdem, Martin. Das musst du mir glauben. Er hat das Recht, in seinem Gasthaus jedem, der ihm nit passt, den Eintritt zu verbieten. So ist das halt nun einmal.«
»Ja, so ist es«, sagte er. Dann betrachtete er Barbara. Sie hielt seinem Blick stand. Es war plötzlich etwas zwischen ihnen, was sie beide nicht schildern konnten. Da war eine merkwürdige Spannung. Es gab etwas, was sie gegenseitig anzog und zugleich abstieß. Plötzlich riss Martin das Mädel in seine Arme. Er bedeckte das Gesicht mit glühenden, heißen Küssen. Dann ließ er sie plötzlich los und lief davon.
»Martin!«, rief sie. »Martin, warte doch!«
Wie damals rannte sie ihm hinterher. Sie fand ihn, wie er eine Birke mit seinem Armen umfangen hielt und dabei heftig und heiser vor sich hinschluchzte.
»Aber Martin«, flüsterte sie. »Lieber, guter Martin.«
Da schnellte er herum. Seine Augen versprühten Blitze.
»Lieber, guter Martin!«, stieß er bitter hervor, indem er ihre Worte wiederholte. »Schau ihn dir an, diesen lieben, guten Martin.«
»Ich mag dich doch so sehr«, sagte sie leise.
Da wurde er wieder sanftmütig. Er trat auf sie zu, tauchte seinen Blick tief in ihre Augen und legte dann seine Hand auf ihre Schulter.
»Ich mag dich auch. Ich mag dich sogar sehr. Ich mag dich mehr als alles auf der Welt«, gestand er ihr ein. »Aber sag mir, was das alles für einen Sinn haben sollte. Zusammenkommen könnten wir doch nie, Barbara.«
Da schleuderte sie den Kopf heftig in den Nacken.
»Warum nit?«, gab sie ihm zur Gegenfrage. »Wir sind beide großjährig. Wir können beide tun und lassen, was wir wollen. Niemand hat uns etwas dreinzureden.«
»Diese Worte hab ich schon einmal gehört, Barbara. Aber könntest du auch wirklich dazu stehen, wenn es darauf ankäme?«
»Oh, ja«, versicherte sie. »Ich steh zu dir, Martin. Ganz gleich, was auch immer geschieht.«
Da nahm er sie wieder in seinen Arm. Sie schmiegte sich an ihn. Für beide war es nun so, als würden sie das Tor zu einer vollkommen neuen Welt durchschreiten. Hinter ihnen lag das Dunkel einer bösen Vergangenheit. Vor ihnen jedoch, wie ein Trugbild, eine leuchtende und strahlende Zukunft. In ihrer gegenseitigen Liebe und Zuneigung gestanden sie sich beide nicht ein, dass ihre Zukunft von den alten Schatten der Vergangenheit wohl ewig verdüstert sein würde. Gab es keinen einzigen Lichtblick auf ihrem gemeinsamen Weg, falls es diesen überhaupt geben sollte?
In aller Heimlichkeit blühte eine große und überwältigend Liebe zwischen ihnen auf. Sie trafen einander, wann immer das möglich war. Keinem fiel dieses auf. Barbara war ganz selig. Ihre Arbeit verrichtete sie stets mit einem Lied auf den Lippen. Niemals zuvor hatten ihre Augen glücklicher und zufriedener gestrahlt als in jenen Tagen, niemals hatte dieses Glühen auf den Wangen gegeben, das vom Herzensglück eines eigentlich recht einfachen Mädels zeugte.
Es gab keinen, mit dem Barbara ihr bittersüßes Geheimnis teilte. Fest verschloss sie die Liebe zu Martin in ihrem Herzen und hütete sie wirklich ganz sorgsam. Sollte doch die Zeit über das Land hinweggehen und somit manche Veränderung bringen, so würde die Liebe bestehen bleiben, bis an das Ende ihrer Zeit. So jedenfalls hoffte und glaubte Barbara.
Unterdessen kam Christian Liebeiner öfter als früher in das Gasthaus »Zum schwarzen Adler«. Er umschwärmte Barbara wie ein Gockel. Barbara mochte Christian. Er war ein netter Bursch, und sie selbst hatte überhaupt
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